Deutschland auf neuem Kurs: Bundestag beschließt regulierte Cannabis-Freigabe
Letzten Freitag hat der Bundestag die regulierte Freigabe von Cannabis in Deutschland verabschiedet. Nach dem neuen Gesetz der Ampel-Koalition werden Besitz und Anbau für Personen über 18 Jahre ab dem 1. April unter Auflagen legal. Die Bundesregierung reagiert damit auf die Herausforderungen der bestehenden Drogenpolitik und die Zunahme des Cannabiskonsums trotz bestehender Verbote. Das neue Gesetz soll den Gesundheitsschutz verbessern, die Kriminalität reduzieren und den Jugendschutz erhöhen, indem es einen kontrollierten Zugang und Qualitätsprüfungen von Cannabis vorsieht. Die geplanten Jugendschutzmaßnahmen umfassen unter anderem den Ausbau von Präventions- und Frühinterventionsangeboten, strikte Alterskontrollen und THC-Grenzwerte sowie ein allgemeines Werbeverbot, Einschränkungen des öffentlichen Konsums und verschärfte Strafen für den illegalen Handel. Gleichzeitig sieht der Gesetzesentwurf eine Untersuchung der gesellschaftlichen Folgen vor, die 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beginnt und mit einer endgültigen Analyse nach vier Jahren abschließt.1
Ärzteappell gegen Cannabis-Freigabe: Sorgen um Jugendschutz und Gesundheit
Seit 2017 wird medizinisches Cannabis in Deutschland bereits unter anderem in der Schmerztherapie sowie zur symptomatischen Behandlung neurologischer Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS) eingesetzt.2 Die Erlaubnis zur Verschreibung erfolgt allerdings erst, wenn zuvor andere Behandlungsmethoden durch ärztliches Personal als nicht geeignet eingestuft wurden.3 Ein wesentlicher Grund für die vorsichtige Herangehensweise an den Einsatz von medizinischem Cannabis liegt darin, dass die Langzeitwirkungen und das Spektrum möglicher Nebenwirkungen noch nicht umfassend erforscht sind. Bei länger andauerndem Konsum können psychische Störungen wie Depressionen und Psychosen auftreten, insbesondere bei Menschen mit einer besonderen Empfindlichkeit für diese Erkrankungen. Zudem besteht das Risiko der Entwicklung einer Abhängigkeit. Diese unvorhersehbaren Effekte können insbesondere bei Jugendlichen zu dauerhaften Entwicklungs- und Lernschwierigkeiten führen,1 da die Gehirnentwicklung bis zum 22. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen ist. Aus diesem Grund kritisierte die DGPPN* die von der Bundesregierung geplante Altersgrenze von 18 Jahren als zu niedrig.4 Auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, äußerte harte Kritik. So könne die angedachte Lockerung der Cannabisgesetze zu einer Unterschätzung der schweren Entwicklungsrisiken in der öffentlichen Meinung führen. Er fordert die Bundesländer auf, das am Freitag im Parlament beschlossene Gesetz zur Cannabis-Legalisierung zu stoppen.5 Sollte dies nicht geschehen und die geplante Legalisierung zum 1. April 2024 vollzogen werden, wird erst die vorgesehene Überprüfung des Gesetzes nach 18 Monaten Aufschluss darüber geben, ob die Maßnahme den Gesundheits- und insbesondere den Jugendschutz verbessert oder beeinträchtigt hat.
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN)
1 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html
2 https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/Versorgung/Cannabis.pdf
3 https://www.kbv.de/html/cannabis-verordnen.php
4 Deutsche Gesellschaft für Psychatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (bundesgesundheitsministerium.de)
5 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/aerztepraesident-bundesrat-cannabis-legalisierung-100.html