Neues aus der Neurologie und Psychiatrie

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Prof. Weih berichtet von der 93. Jahrestagung der Bayerischen Nervenärzte

In einer dreiteiligen Serie berichtet Herr Prof. Weih von der 93. Jahrestagung der Bayerischen Nervenärzte. Diese fand am 15. und 16. Oktober 2021 im Kloster Irsee statt.

Im dritten Teil geht es um Kopfschmerzen sowie antidepressive Psychedelika, zu denen Frau Prof. Lang aus Basel einen Festvortrag hielt.

Kopfschmerzen

Herr Prof. Straube aus München betonte in seinem Vortrag zum Thema Kopfschmerzen, dass die Migräne auch als eine Zykluserkrankung mit variabler Länge gesehen werden kann – mit Prodromalsymptomen, Aura, Kopfschmerzphase und postdromaler Phase.

Neu ist die Klassifikation orofazialer Schmerzen. Wichtig sind auch die Komorbiditäten wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Angst, Depression, Rückenschmerzen, Reizdarm und paroxysmale Erkrankungen wie M. Menière. In der Akuttherapie hat sich seit den Leitlinien von 2018 nichts geändert. Triptane sind wirksam und sicher und machen nach Metaanalysen nicht vermehrt kardiovaskuläre Probleme. Mit Gepanten steht eine neue Wirkstoffklasse oraler Medikamente zur Verfügung – kleine Moleküle, die den CGRP-Rezeptor blockieren (Akuttherapie und Prophylaxe). Erste Studien zeigen aber, dass die Wirksamkeit vermutlich unter denen der Triptane liegt. Noch neuer sind Ditane (Serotoninagonisten), hier sind erste Daten vielversprechend.

Die CGRP-Antikörper haben sich in den letzten Jahren etabliert und zeigen bei etwa 50 % der Patienten mit episodischer Migräne eine Response ohne spezifische Nebenwirkungen bei besserer Verträglichkeit als z. B. Topiramat. Wichtige Apps sind der Migraine Buddy, Patient Concept oder M-Sense Migräne (DIGA). Die Clusterattacke sieht Herr Straube als „gestauchte“ Migräneattacke, Galcanezumab könnte theoretisch off label eingesetzt werden, ansonsten Prednison (100 mg über 5 Tage, dann ausschleichen).

Festvortrag über antidepressive Psychedelika

Den Festvortrag hielt Frau Prof. Lang aus Basel über antidepressive Psychedelika. Sie betonte die gesundheitsökonomische Bedeutung der Depression und das erhöhte Risiko für weitere körperliche Erkrankungen. Gleichzeitig sind Depressionen auch ein Verschlechterungsfaktor für viele andere Erkrankungen. Obwohl Ketamin eine sehr alte Substanz ist, hat sie sich doch inzwischen als innovative Therapie etabliert und wirkt über das NMDA-System. Für andere psychoaktive Substanzen wie LSD, MDMA, Psilocybin und Meskalin gilt, dass sie als Serotoninagonisten neuroplastisch wirken und durch Psychotherapie begleitet werden sollten. Zulassungen sind naturgemäß noch nicht schnell zu erwarten.

Den zweiten psychiatrischen Themenblock leitete Herr PD Schüle aus München ein. Durch Esketamin könnten sich hier neue Wege eröffnen, da es einerseits auf ein anderes Neurotransmittersystem als bekannte Antidepressiva wirkt, andererseits die Wirkung rascher eintritt als bei den herkömmlichen Substanzen. Zurückhaltung ist bei Suchtproblematik oder psychotischer Depression geboten. Zugelassen wurde Esketamin (Spravato) wie üblich nach zwei positiven Zulassungsstudien 2019 für die therapieresistente Depression (in Kombination mit einem SSRI oder SNRI). Bei der Depression mit Suizidalität gab es leider kein signifikantes Ergebnis. Anschließend wurde der Zusatznutzen im AMNOG-Verfahren durch das IQWiG geprüft, leider mit negativem Ergebnis. Ein schwacher Zusatznutzen ergab sich nur für die Notfallbehandlung. Noch in der Forschung befinden sich neuroaktive Steroide, die am GABA-System ansetzen. Herr Prof. Zink aus Ansbach wies kritisch auf das Adhärenzproblem in der Psychosebehandlung hin. Des Weiteren erhalten Patienten mit Schizophrenie weiter kaum ambulante Psychotherapie. Hier sind Innovationen jenseits der Dopaminantagonisten dringend nötig. Eine Option sind hier Dopamin-Partialagonisten wie Aripiprazol, Cariprazin oder das in Deutschland noch nicht verfügbare Brexpiprazol. Eine Besonderheit von Cariprazin ist, dass es eine höhere Affinität zum D3-Rezeptor hat als Dopamin selbst. Was noch fehlt, sind Vergleichsstudien zwischen den Agonisten.

Zusammenfassend bot das Treffen ein breites Spektrum der aktuellen Neurologie und Psychiatrie und ihren aktuell wichtigsten Themen.

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Prof. Dr. Markus Weih ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist im Medic-Center Nürnberg – Schöll + Kollegen (MVZ) tätig und für Berufsverband und in Forschung und Lehre aktiv.