Einzelfallprüfung wegen fehlender ICD-10-Diagnose in den Abrechnungsdaten

      Newsletterbeitrag     Regress in der Praxis; Wirtschaft­liche Ver­ord­nung

Vorgeschichte

Bei einem 36-jährigen Patienten wird im Rahmen eines stationären Aufenthalts erstmals eine schubförmige Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert, die auch im Entlassbericht der Klinik festgehalten wird. Zurück in der Praxis, wird der Patient mit Dimethylfumarat behandelt, seither gab es keine weiteren Symptome und er blieb bis heute stabil.

Post von der Prüfungsstelle

Der behandelnde Neurologe erhält im Verlauf Post von der Prüfungsstelle. Der Grund: Die Krankenkasse hat einen Prüfantrag gestellt. Betroffen sind Verordnungen von Dimethylfumarat über drei Quartale für den Patienten. Es droht ein Regress von knapp 5.000 EUR. Die Begründung lautet, dass in den Abrechnungsunterlagen keine schubförmig-remittierende MS dokumentiert worden sei (ICD-10 G35.1), somit also eine Off-Label-Verordnung vorliege. Was war passiert?

So geht es weiter

Die Diagnose des Patienten aus dem Kranken­haus­bericht war ver­sehent­lich nicht in die Ab­rechnungs­diagnosen über­nommen worden. Die Prüfungsstelle erlässt einen entsprechenden Bescheid, gegen den der Kollege Widerspruch erhebt. Er legt dazu seine Praxisdokumentation vor. Nachdem der Beschwerdeausschuss den Widerspruch abgelehnt hat, zieht der Kollege mit Hilfe eines Anwalts vor das Sozialgericht. Im Gerichtsverfahren legt der Arzt seine gesamte Dokumentation vor und das Gericht folgt seiner Argumentation. Die Prüfungsstelle verliert das Verfahren, kann aber noch Berufung bei der nächsthöheren Instanz einlegen.

Fazit

Jede Ärztin und jeder Arzt kann nachvollziehen, dass es in der Hektik des Praxisalltags passieren kann, dass Diagnosen aus Krankenhausberichten versehentlich nicht in die Dokumentation übernommen werden. Resultiert aus dem Versehen ein Prüfverfahren, so ist dies sehr ärgerlich und zeitaufwändig. Meist lässt sich die fehlende Abrechnungsdiagnose aber anhand anderer Unterlagen nachvollziehen, diese sollten entsprechend nachgereicht werden.

Zudem möchte jede Ärztin und jeder Arzt, dass die eigenen Patientinnen und Patienten gut versorgt sind. Im Idealfall holen diese sich einfach die Rezepte in der Praxis ab und sind gut informiert über Impfungen, Kontrolluntersuchungen, Symptome bei Schubverdacht etc. Aber gerade bei diesen „einfachen“ Patientinnen und Patienten kann eine Regressfalle lauern, wenn die Dauerdiagnose im Praxisverwaltungssystem fehlt: Die Verordnung wird dann zu einem vermeintlichen Off-Label-Use. Dies gilt nicht nur für die Multiple Sklerose, sondern auch für alle anderen chronischen Erkrankungen.

Tipps vom Rp. Institut

  • Achten Sie bei jeder Arzneimittel-Verordnung darauf, dass die verordnungsbegründende Diagnose eindeutig dokumentiert wurde.
  • Sollte es aufgrund einer nicht dokumentierten Diagnose zu einem Einzelfallprüfantrag kommen, so nutzen Sie die Chance und reichen Sie eine Stellungnahme ein. Wird keine Stellungnahme eingereicht, entscheidet die Prüfungsstelle nach Aktenlage.
  • Beachten Sie dabei die angegebenen Fristen für die Stellungnahme. Sollten Sie diese nicht einhalten können, bitten Sie um eine Fristverlängerung.