Einzelfallprüfung nach Verordnung von Aktivkohle

      Newsletterbeitrag     Regress in der Praxis

Eine Fallschilderung von Prof. Dr. Markus Weih

Eine Patientin mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (MS) entwickelt unter der Behandlung mit Teriflunomid (Aubagio) peripher ausgelöste schmerzhafte Missempfindungen an den Füßen, aufgrund derer die Therapie mit Teriflunomid abgesetzt und eine forcierte Elimination mit Aktivkohle eingeleitet wurde. Aufgrund dieser Verordnung von Aktivkohle kam es zu einer Einzelfallprüfung.

Der Fall

Eine 44-jährige Patientin mit schubförmig-remittierender MS wurde von ihrem Neurologen mit Teriflunomid (Aubagio) behandelt. Während die MS stabil war, entwickelte die Patientin peripher ausgelöste schmerzhafte Missempfindungen an den Füßen, die klinisch und elektrophysiologisch am ehesten einer subakut axonalen sensiblen Neuropathie zuzuordnen waren.

Es wurde von der Patientin ein Absetzen von Teriflunomid gewünscht. Wegen einer ausgeprägten enterohepatischen Rezirkulation musste dies mit forcierter Elimination erfolgen. Sowohl die Möglichkeit der Colestyramin-Gabe als auch die Anwendung von Aktivkohle wurde mit der Patientin besprochen, die sich für Letzteres entschied.

Der Patientin wurde daraufhin von ihrem behandelnden Neurologen ein Kassenrezept über Aktivkohle ausgestellt, die sie in einer Dosis von 50 g alle 12 h für 11 Tage einnahm. Da keine Schwangerschaft geplant war, erfolgte keine Bestimmung der Teriflunomid-Plasmakonzentration. Im Verlauf von ca. 3 Monaten besserten sich die Missempfindungen etwas und die Patientin blieb unter klinischer und MR-tomographischer Kontrolle hinsichtlich der MS erstaunlich stabil.

Teriflunomid in der Behandlung der Multiplen Sklerose

Teriflunomid ist der aktive Metabolit von Leflunomid, das in der Rheumabehandlung eingesetzt wird. Die Substanz ist ein selektiver und reversibler Inhibitor der mitochondrialen Dihydroorotatdehydrogenase (DHODH) in aktivierten Lymphozyten. Es hemmt die De-novo-Pyrimidinsynthese. Teriflunomid ist meist gut verträglich und benötigt im Vergleich zu anderen MS-Medikamenten relativ wenig Monitoring. Ein Schwangerschaftstest ist obligat und die Patientinnen müssen effektiv verhüten.

Aubagio gehört seit einigen Jahren zu den oralen Standardmedikamenten bei der mild-moderaten schubförmigen MS. Das Medikament wird in einer Dosis von 14 mg 1-mal täglich verabreicht. Eine periphere Neuropathie, Mononeuropathie bzw. Polyneuropathie ist als gelegentliche bis seltene (< 1/1.000) Nebenwirkung beschrieben.

Einzelfallprüfung endet ohne Regress

In der Verordnung der Aktivkohle (Preis ca. 250 EUR) sah die Krankenkasse eine unzulässige Verordnung. Es kam zu einer Einzelfallprüfung.

  • Aktivkohle ist u. a. als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel im Handel. Diese sind für Erwachsene in der Regel nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erstattungsfähig. Ausnahmen regelt die Arzneimittel-Richtlinie.

Der behandelnde Neurologe konnte darauf verweisen, dass das Eliminationsverfahren von Teriflunomid mit Aktivkohle sowohl in der Fachinformation von Aubagio als auch im Qualitätshandbuch des Kompetenzzentrums MS ausführlich beschrieben ist. Daraufhin kam es zu keinem Regress!

Prof. Dr. Markus Weih ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist im Medic-Center Nürnberg – Schöll + Kollegen (MVZ) tätig und für Berufsverband und in Forschung und Lehre aktiv.