Kodiervorgaben: Der heimliche „Kontrolleur“ nimmt ab 1. Januar 2025 seine Arbeit auf

      Abrechnung     Digitali­sierung; Meine Praxis; ePA

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Seit dem 1. Januar 2022 ist die Kassen­ärztliche Bundes­ver­einigung (KBV) ihrem gesetz­lichen Auftrag nach­ge­kommen und hat die „Kodier­vorgaben nach § 295 Abs. 4 SGB V“ ein­schließ­lich Prüf­regeln verbind­lich einge­führt. Diese Entwick­lung wurde von ihr selbst ausge­löst und ab 1. Januar 2025 werden die Regeln scharf­ge­schaltet!

Die KBV verbucht die Maß­nahme als Erfolg, da erste Analysen einen positiven Effekt der Kodier­regeln auf die Kodierung in den­jenigen Praxen zeigen würden, denen seit 2022 die Kodier­unter­stützung als digitaler Helfer in der Praxis­software zur Verfügung steht. So zeige sich, dass nach Einführung der Kodier­vorgaben in allen unter­suchten Regeln die gezählten Aus­lösungen im Verlauf des Jahres 2022 immer weiter abnahmen. Auch die quartals­über­greifenden Regeln zur Korrektur nicht als Dauer­diagnose geeigneter akuter Erkrankungen zeigten eine stetige Abnahme der Regel­aus­lösungen im Jahres­verlauf 2022.

Die Kodier­vorgaben werden jährlich überprüft und die aktuellen Anpas­sungen sind von der KBV-Vertreter­versammlung am 13. September 2024 beschlossen worden.

Es gibt zwei Anlagen zu den Kodier­vorgaben:

  • Anlage I: Prüfregeln aus der Kodier­regel­werk-Stamm­datei zur Gewähr­leistung einer sach­ge­rechten Diagnosen­verschlüsselung nach ICD-10-GM
  • Anlage II: Prüfregeln aus dem Anforderungs­katalog zur Anwendung der ICD-10-GM und der ICD-10-Stamm­datei der KBV zum Umgang mit Dauer­diagnosen

Gefährliche Entwicklung

Mit Start der elektronischen Patienten­akte (ePA) ab Januar 2025 sind die Kranken­kassen ver­pflichtet, die bei ihnen vor­liegenden Abrechnungs­daten, insbesondere ICD-10-GM-Kodes und Gebühren­ordnungs­positionen des EBM, in die ePA einzu­stellen, sofern Versicherte nicht wider­sprechen. Die Angaben aus den Kodier­vorgaben sind somit künftig für die Versicherten transparent und einsehbar. Den Kodier­vorgaben bzw. deren Um­setzung als Kodier­unter­stützung in den Praxis­verwaltungs­systemen kommt damit eine völlig neue und auch durchaus bedenkliche Bedeutung zu. Sie beeinflussen die Kodierung und damit, welche Diagnose­kodes in der ePA sichtbar sind. Durch die Entwicklung neuer Regeln, aber auch durch die Software­funktionen im Zusammen­hang mit der Verwaltung von Dauer­diagnosen nimmt dieser Einfluss zu.

Historie

Es war die KBV selbst, die seinerzeit „Allgemeine Kodier­richt­linien“ (AKR) – deshalb auch scherz­haft nach dem damaligen KBV-Vorstands­vor­sitzenden „Andreas-Köhler-Richt­linien“ benannt, entwickelte. Die konnten zwar nach massiven Wider­ständen aus der ärztlichen Basis im Rahmen eines Petitions­verfahrens zunächst abge­wendet werden, sind danach aber nur in einen „Schlummer­zustand“ getreten und zurück­ge­kommen. Bereits mit dem am 11. Mai 2019 in Kraft getretenen Termin­service- und Versorgungs­gesetz (TSVG) wurden gemäß § 295 Abs. 4 Satz 3 und 5 SGB V alle Ärztinnen und Ärzte, Psycho­therapeutinnen und -therapeuten, medizinische Versorgungs­zentren, Kranken­häuser sowie sonstige Ein­richtungen, die an der ambulanten ärztlichen Versorgung zulasten der gesetzlichen Kranken­versicherung teil­nehmen, gleicher­maßen zur Kodierung ambulanter (Behandlungs-)Diagnosen verpflichtet. Hier tickte seither eine Zeitbombe und die KBV hat heimlich, still und leise ab 2022 diesen gesetz­lichen Auftrag erfüllt und die geforderten Kodier­vorgaben ein­schließlich erster Prüf­regeln einge­führt.

Fazit

Sämtliche Regelungen sind als verbindliche Hinweise zur sach­gerechten Verwendung von Diagnose­schlüsseln und zusätzlichen Kenn­zeichnungen zu verstehen. Zunächst sollte zwar nur mit wenigen, praxis­nahen Regelungen zu häufigen Krank­heits­bildern aus den Bereichen der kardiovaskulären Erkrankungen bzw. der Stoff­wechsel­erkrankungen eine Kodier­hilfe angeboten werden. Nach Einleitung eines ent­sprechenden Stellung­nahme­ver­fahrens am 2. März 2020 wurde jedoch das Benehmen mit dem GKV-Spitzen­verband, der Deutschen Kranken­haus­gesellschaft (DKG) und dem Deutschen Institut für medizinische Doku­mentation und Information und auch das Ein­ver­nehmen mit der DKG, sofern Diagnose­schlüssel wesentlich von Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten Versorgung in Kranken­häusern vergeben werden, herge­stellt.
Ab dem 1. Januar 2025 kommt deshalb ein „Kontrolleur“ hinzu: Patientinnen und Patienten können die Diagnosen und Abrechnungs­positionen ihrer behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf die ePA speichern lassen und „prüfen“.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.