EBM aktuell: Diese Beschlüsse sind für die vertragsärztliche Praxis relevant
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Der Bewertungsausschuss (BA) hat in seiner 778. Sitzung beschlossen, die Abrechnungsmöglichkeiten im Rahmen von Videosprechstunden deutlich auszuweiten.
Anzahl der Gebührenordnungspositionen (GOP) ist jetzt unbegrenzt
Bereits zum 1. Januar 2025 entfällt rückwirkend die patientenübergreifende Begrenzung der einzelnen Leistungen (GOP) von 30 %, die im Rahmen einer Videosprechstunde berechnet werden können.
Damit können alle im Rahmen einer Videosprechstunde abrechnungsfähigen Leistungen zum vollen Honorar in Rechnung gestellt werden. Sofern es sich dabei um GOP handelt, die voraussichtlich ab 1. Oktober 2025 entbudgetiert bezahlt werden, kommt es zusätzlich zu einer „echten“ Euro-Gebührenordnung.
Patientenzahl wird erhöht
Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die im Quartal ausschließlich per Videosprechstunde behandelt werden können, bleibt zwar begrenzt, es kommt aber zu einer Detailanhebung, wobei zwischen bekannten und unbekannten Patientinnen und Patienten unterschieden wird:
- Bei unbekannten Patientinnen und Patienten bleibt es bei einer Obergrenze von 30 %, wobei sich diese nun allerdings nicht mehr auf alle Behandlungsfälle der Praxis bezieht, sondern nur auf die Behandlungsfälle mit unbekannten Patientinnen und Patienten.
Als unbekannt gilt, wer in den drei Vorquartalen keinen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt hatte oder noch nie in der Praxis war. - Bei bekannten Patientinnen und Patienten, die ausschließlich in einer Videosprechstunde versorgt wurden, liegt die Obergrenze jetzt bei 50 %. Als bekannt gilt, wer in mindestens einem der drei Vorquartale einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt hatte.
Patientinnen und Patienten, die im Laufe des Quartals per Video und in der Praxis behandelt wurden, zählen hier nicht mit.
Neuregelung bei der Zählung
Weiterhin werden bei der Fallzählung TSS-Fälle und Fälle im organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht mitgezählt. Neu ist aber, dass bei beiden Patientengruppen die Obergrenze für die Behandlungsfälle nicht mehr personenbezogen je Vertragsärztin bzw. Vertragsarzt gilt, sondern je Praxis (Betriebsstättennummer). Einzelne Ärztinnen und Ärzte, z. B. in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), können die Obergrenzen deshalb überschreiten, wenn die Anzahl in der Gesamtpraxis die Grenze von 30 bzw. 50 % nicht überschreitet. Auch hier werden Fälle, bei denen der Kontakt per Video und in der Praxis erfolgt, nicht mitgezählt.
Bei bekannten Patientinnen und Patienten gibt es einen Zuschlag
Seit dem 1. April 2025 wird außerdem von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ein Zuschlag zur Grund-, Versicherten- oder Konsiliarpauschale von 3,72 Euro (30 Punkte) bei bekannten Patientinnen und Patienten zugesetzt, wenn sie in einem Quartal ausschließlich per Video behandelt wurden. Er soll dazu dienen, dass sich die Praxis bei Bedarf um die Anschlussversorgung der Patientin bzw. des Patienten kümmert und dazu ggf. zeitnah einen Termin in der Praxis anbietet. Die Vergütung dieses Zuschlags erfolgt innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und unterliegt damit ggf. einer Budgetierung.
In diesem Zusammenhang hat der BA auch beschlossen, dass bei Patientinnen und Patienten, die in der Videosprechstunde innerhalb des definierten Zeitraums einen Termin bei einer Fachärztin bzw. einem Facharzt vermittelt bekommen, der Zuschlag für den Hausarzt-Vermittlungsfall nach GOP 03008/04008 berechnet werden kann.
Ein Wehrmutstropfen beim Technikzuschlag
In einem Punkt hat der BA das Honorar abgesenkt. Der Höchstwert, bis zu dem die GOP 01450 (40 Punkte) als sog. Technikzuschlag berechnet werden kann, wird ab dem 1. Juli 2025 auf 700 Punkte abgesenkt und deshalb nur noch bei insgesamt 18 Videosprechstunden im Quartal vergütet.
Konkret wirken sich diese Neureglungen in der Praxis wie folgt aus:
- Wenn eine Beispiel-Praxis 1.000 Behandlungsfälle (BHF) hat und davon 800 Patientinnen und Patienten bekannt und 200 unbekannt sind, können bis zu 50 % und damit 500 bekannte Patientinnen und Patienten und bis zu 30 % und damit 60 unbekannte Patientinnen und Patienten ausschließlich in der Videosprechstunde versorgt werden.
- Bei einer neugegründeten Praxis stellt sich die Sachlage entsprechend anders dar. Würde die Praxis im ersten Quartal 1.000 Behandlungsfälle haben, die per definitionem „automatisch“ als unbekannt gelten, könnte die Praxis bis zu 30 % und damit 300 Patientinnen und Patienten ausschließlich per Video abrechnen.
In diesem Zusammenhang wäre noch die Frage zu klären, wie die Regelung zu verstehen ist, wenn es sich um eine Praxisübernahme handelt und die Patientinnen und Patienten trotz eines Wechsels der Ärztin bzw. des Arztes nach der o. g. Definition als bekannt gelten. Dazu äußert sich der BA-Beschluss (bisher) nicht.
Das sind die resultierenden Neuregelungen bei den betroffenen GOP, bezogen auf die hausärztliche Praxis:
GOP | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro |
01452 | Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den GOP 03000 oder 04000 […] für die Gewährleistung einer strukturierten Versorgung gemäß § 10 der Anlage 31c zum BMV-Ä, einmal im Behandlungsfal Anmerkungen Die GOP 01452 ist nur bei bekannten Patienten berechnungsfähig. Bekannte Patienten sind Versicherte, bei denen in mindestens einem der letzten drei Vorquartale ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt gemäß Nr. 4.3.1 der Allgemeinen Bestimmungen in der Praxis des behandelnden Vertragsarztes stattgefunden hat. Die GOP 01452 ist nur im Behandlungsfall berechnungsfähig, sofern mindestens ein Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Videosprechstunde, jedoch kein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat. Die GOP 01452 wird von der zuständigen KV zugesetzt. | 30/3,72 |
03008 | Zuschlag zu der Versichertenpauschale nach der GOP 03000 für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermin Anmerkung Die GOP 03008/04008 ist auch bei Durchführung der Leistung im Rahmen einer Videosprechstunde berechnungsfähig und dies durch Angabe einer bundeseinheitlich kodierten Zusatzkennzeichnung zu dokumentieren. Für die Abrechnung gelten die Anforderungen gemäß Anlage 31b zum BMV-Ä entsprechend. | 131/16,24 |
01450 | Zuschlag im Zusammenhang mit den Versichertenpauschalen nach den GOP 03000 und 04000 […] für die Betreuung eines Patienten im Rahmen einer Videosprechstunde oder für eine Videofallkonferenz Anmerkung Für die GOP 01450 wird ein Punktzahlvolumen je Vertragsarzt gebildet, aus dem alle gemäß der GOP 01450 durchgeführten Leistungen im Quartal zu vergüten sind. Der Höchstwert für das Punktzahlvolumen für die GOP 01450 beträgt 700 Punkte je abrechnendem Vertragsarzt. | 40/4,96 |
Die Kennzeichnungen nicht vergessen
Wichtig im Rahmen dieser Neuregelungen ist die unverändert gültige Kennzeichnung der Fälle:
- Patientinnen und Patienten, die im Quartal ausschließlich per Video behandelt wurden, müssen mit der Pseudonummer 88220 gekennzeichnet werden. Daran erkennt die zuständige KV, dass die Höchstgrenze bei 50 % liegt und der neue Zuschlag nach der GOP 01452 zugesetzt werden kann.
- Bei unbekannten Patientinnen und Patienten, die im Quartal ausschließlich per Video behandelt wurden, muss nicht nur die Pseudonummer 88220, sondern auch die GOP 01444 (Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den GOP 03000 und 04000 […] für die Authentifizierung eines unbekannten Patienten) angesetzt werden, damit hier für die KV erkennbar ist, dass die Obergrenze bei den Behandlungsfällen bei 30 % liegt und die GOP 01452 nicht zugesetzt wird.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.