Die DiGA kommen – was bedeutet das für die Praxis?

      Abrechnung     Digitali­sierung; Ärztliche Vergütung

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) haben GKV-Versicherte ab sofort Anspruch auf die Verordnung sogenannter digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA). Es handelt sich dabei um Medizinprodukte niedriger Risikoklassen, die dazu bestimmt sind, die Erkennung, Überwachung, Linderung und Behandlung von Krankheiten zu unterstützen. Sie können als Apps für Smartphones oder Tablets genutzt werden, aber auch als webbasierte Anwendungen, die über einen Internetbrowser laufen. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten für solche Anwendungen übernehmen, wenn sie in ein DiGA-Verzeichnis eingetragen sind. Über die Aufnahme entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Die ersten DiGA sind schon da!

Die ersten beiden DiGA sind mittlerweile auf diesem Weg zertifiziert worden. Es handelt sich um Anwendungen bei den Indikationen „Tinnitus aurium (ICD 10 H93.1)“ und verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen wie „Agoraphobie und soziale Phobie (ICD 10 F40.01/F40.1)“ sowie „Panikstörung und generalisierte Angststörung (ICD 10 F41.0/F41.1)“. Details zu diesen Anwendungen sind unter https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis abrufbar. Gesetzlich Versicherte können diese DiGA durch eine von der Krankenkasse genehmigte Rezeptverordnung (Muster 16) oder auf direkten Antrag beim Kostenträger erhalten. Bei der Verordnung muss die PZN angegeben werden, wobei die weiteren Pflichtangaben wie die Bezeichnung der Anwendung und die Verordnungsdauer künftig durch die Verordnungssoftware automatisch hinzugefügt werden. Übergangsweise stehen diese Daten allerdings nur aus der IFA-Arzneimitteldatenbank des Praxisverwaltungssystems (PVS) zur Verfügung oder müssen händisch eingetragen werden. Die Krankenkasse generiert bei einer Verordnung nach Leistungsprüfung einen Rezeptcode, mit dem der Patient die DiGA im jeweiligen App-Store herunterladen oder bei der Webanwendung aufrufen kann. In welches Budget die relativ kostenintensiven Apps ggf. einfließen und ob hier auch Wirtschaftlichkeitsprüfungen möglich sind, wurde bisher nicht bekanntgegeben.

Das Honorar ist noch nicht da!

Erst seit der Aufnahme dieser ersten Anwendungen in das BfArM-Verzeichnis haben die Vertragspartner auf Bundesebene (KBV und Kassen) begonnen, den mit der Verordnung und Anwendung der DiGA verbundenen ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leistungsaufwand zu prüfen. Drei Monate hat dieses Gremium nun Zeit zu beurteilen, inwieweit die ärztlichen oder psychotherapeutischen Leistungen bereits im EBM enthalten sind oder ob Leistungsanteile zusätzlich in den EBM aufgenommen werden können. Solange noch keine Entscheidung über die Vergütung der vom BfArM ausgewiesenen ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leistung im Zusammenhang mit einer DiGA getroffen wurde, kann eine DiGA dennoch verordnet werden. Die ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leistungen können nach Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) so lange privat in Rechnung gestellt und vom Versicherten im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 SGB V gegenüber dem Kostenträger geltend gemacht werden.

Die Bundesärztekammer hat mit einem Beschluss vom Mai 2020 hierzu den analogen Ansatz der Nr. 76 (9,38 Euro bei 2,3-fachem Satz) vorgeschlagen. Die Leistung kann je DiGA nur einmal berechnet werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die einzelnen DiGA mit einem unterschiedlich hohen ärztlichen Aufwand verbunden sind und die noch zu beschließenden neuen EBM-Leistungen deshalb unterschiedlich bewertet sein werden. Diesem Umstand kann man bis zur Vorlage der neuen EBM-Gebührenordnungspositionen durch Anwendung des Multiplikators nach § 5 Absatz 2 der GOÄ beim Ansatz der Nr. A76 GOÄ Rechnung tragen.

Diese Leistung kann im Erstattungsverfahren berechnet werden, wenn eine zugelassene digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnet und/oder der Patient in den Gebrauch eingewiesen wird:

GOÄLeistungsbeschreibungEuro 2,3-fach
A76Verordnung und ggf. Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie Kontrolle der Messungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen,
analog Nr. 76 GOÄ
9,38

Quelle: Beschluss BÄK vom 14./15. Mai 2020

Empfehlung!

Bis die Daten über eine geeignete Schnittstelle direkt vom BfArM in die Praxisverwaltungssysteme (PVS) integriert werden können, vergehen erfahrungsgemäß 6 Monate ab Veröffentlichung der Schnittstelle. Auch die Übernahme der DiGA-Daten in die IFA-Arzneimitteldatenbanken für das Praxisverwaltungssystem wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Verordnungen müssen so lange händisch vorgenommen werden, was einen unnötigen Verwaltungsaufwand in der Praxis nach sich zieht. Auch die Rechnungsstellung über einen Betrag von 9,38 Euro für den Ansatz der Nr. A76 GOÄ steht in keiner Relation zum Verwaltungsaufwand. Da Patienten, die eine solche Gesundheits-App nutzen wollen, sich auch direkt an die Kasse wenden können, sollte man ihnen diesen Weg empfehlen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass nach dem Beschluss in diesem Fall der Nachweis der Indikation anhand von Informationen, die dem Patienten oder der Krankenkasse vorliegen, erfolgt und vom Arzt oder Psychotherapeuten keine Nachweise oder Befunde zur Verfügung gestellt werden müssen.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis in Hofheim/Taunus und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.