Beschlüsse des Bewertungsausschusses 2022: Schlechte Veränderungsraten beim Honorarvolumen für 2023!
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Die Honorarverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband für das Jahr 2023 sind beendet. Die Kassen wollten die Mehrausgaben im Rahmen der Pandemie bei den Vertragsärzten einsparen und haben bei der Neufestsetzung des Orientierungspunktwertes (OPW), der sich unmittelbar auf den Euro-Wert der einzelnen EBM-Leistungen auswirkt, eine Nullrunde gefordert. Der Erweiterte Bewertungsausschuss musste entscheiden und hat eine Steigerung von 2 % festgelegt. Die KBV hatte eine entsprechend der Teuerungsrate notwendige Steigerung von 6 % gefordert.
Der OPW kann durch die Veränderungsraten beeinflusst werden!
Bereits in seiner 604. Sitzung am 19. August 2022 hatte der Bewertungsausschuss seine „Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur (nach § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemäß § 87a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB V) für das Jahr 2023“ abgegeben. Diese Empfehlungen sind richtungsweisend für die Neufestlegung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV), also der Geldmenge, die den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) 2023 zur Verfügung steht, um die praxisinternen Budgets wie insbesondere das Regelleistungsvolumen abzubilden. Die Festlegung der MGV orientiert sich an zwei Veränderungsraten: der Morbiditätsentwicklung und der Altersentwicklung der Bevölkerung (Demografie), deren Berechnung Gesetzmäßigkeiten folgt, die zwar nicht einer Willkür auf dem Verhandlungsweg auf Bundesebene unterworfen sind, regional aber von den KVen und/oder den Kassen zur Diskussion gestellt werden könn(t)en.
Kassenärztliche Vereinigung | Morbi [%] | Demo [%] | MW [%] | Ergebnis 2023 [%] |
Schleswig-Holstein | 0,2679 | 0,1399 | 0,2039 | 2,2039 |
Hamburg | -0,4133 | -0,1281 | -0,2707 | 1,7293 |
Bremen | -0,3979 | -0,1970 | -0,5949 | 1,4051 |
Niedersachsen | -0,0514 | 0,0841 | 0,0164 | 1,9837 |
Westfalen-Lippe | 0,3219 | 0,1131 | 0,2175 | 2,2175 |
Nordrhein | 0,2124 | -0,0348 | 0,0888 | 2,0888 |
Hessen | -0,2007 | 0,0766 | 0,0621 | 2,0621 |
Rheinland-Pfalz | 0,1482 | 0,0724 | 0,1103 | 2,1103 |
Baden-Württemberg | -0,0238 | 0,0679 | 0,0221 | 2,0221 |
Bayerns | 0,1549 | 0,0817 | 0,1183 | 2,1183 |
Berlin | -0,5493 | -0,0909 | -0,3201 | 1,6799 |
Saarland | 0,3559 | 0,1535 | 0,5094 | 2,5094 |
Mecklenburg-Vorpommern | 0,6124 | 0,2472 | 0,8596 | 2,8596 |
Brandenburg | 0,0118 | 0,1024 | 0,0571 | 2,0571 |
Sachsen-Anhalt | 0,6091 | 0,1897 | 0,3994 | 2,3994 |
Thüringen | 0,4629 | 0,2120 | 0,3375 | 2,3375 |
Sachsen | 0,1773 | 0,0526 | 0,1150 | 2,1150 |
Quelle: Bewertungsausschuss, KBV
Fazit
In der Tabelle sind die nach den Grundsatzbeschlüssen des Bewertungsausschusses für 2023 errechneten Veränderungsraten für die Weiterentwicklung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung abgebildet. Sie bilden regional die Grundlage für das budgetierte Honorarvolumen, das für die Auszahlung der EBM-Leistungen zum um 2 % erhöhten OPW dient. Die in der Spalte „Ergebnis“ dargestellte prozentuale Zuwachsrate stellt somit einen zwar fiktiven, aber durchaus realistischen Wert dar, der aus der Entwicklung bei den Veränderungsraten und dem OPW entsteht und so beim einzelnen Vertragsarzt 2023 als Steigerungsrate ankommt.
Regionale Verhandlungen können das Ergebnis verbessern!
Bei den regionalen Honorarverhandlungen wird in der Regel der Mittelwert aus Morbiditäts- und Demografie-Entwicklung zugrunde gelegt. Die jeweiligen KVen könnten in den Verhandlungen mit den Regionalkassen deshalb versuchen, hier höhere Zuwachsraten zu erreichen, um die zu erwartenden Verluste durch den zu niedrigen OPW-Zuwachs auszugleichen.
Da überall Neuwahlen stattfinden oder stattgefunden haben, ist das für die Neuvorstände in den KVen eine erste Herausforderung, bei der sie sich gleich bewähren könn(t)en.
Was kann die Praxis tun?
Denken Sie an die extrabudgetären Leistungen, über die wir zuvor bereits berichtet hatten. Hier kommt auf jeden Fall der angehobene OPW als Zuwachsrate an und es gibt keine Mengenbegrenzung über das von den anderen Veränderungsraten abhängige Regelleistungsvolumen.
Die wichtigsten extrabudgetären Leistungen im hausärztlichen Bereich finden Sie in der folgenden Tabelle:
Leistungsbereich | GOP EBM |
Vergütungen für bundesweit und regional vereinbarte, nicht im EBM enthaltene Wegepauschalen sowie Leistungen im GOP-Bereich ≥ 80000 | 40220 bis 40230 86700, 86701, 88122, 86900, 86901, 88310, 88322 bis 88324, 88331 bis 88336, 88350 bis 88355, 88370, 88371 |
Ambulante Operationen Abschnitte IV 31.1 und 31.4 EBM: prä- bzw. postoperative Leistungen | 31010 bis 31013, 31600 |
Prävention Abschnitte 1.7.2 EBM, 1.7.3 EBM, 1.7.4 EBM | 01702 bis 01727, 01731 bis 01734, 01737, 01740, 01744 bis 01748, 01760, 32880 bis 32882 |
Verordnung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung | 01425, 01426 |
Weiterführende sozialpädiatrisch orientierte Versorgung | 04356 |
Leistungen zur Förderung der Delegation | 38200, 38205 |
Medikationsplan | 01670, 03222, 04222 |
Zuschlag Versand elektronischer Arztbrief, noch bis 30.06.2023 | 01660 |
Videosprechstunde und Videofallkonferenz | 01442, 01450, 40128, 40129 |
Verordnung von Cannabis | 01626 |
Notfalldatenmanagement | 01640 bis 01642 |
Versorgungsplanung | 37400 |
Videokonsilium gemäß § 1 Abs. 5 der Telekonsilien-Vereinbarung | 01670 bis 01672 |
Unterstützungsleistungen im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte | 01431, 01647, 01648 |
Leistungen im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) | 01471 und 01472 |
Leistungen der Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe | 08619 |
Verordnung von medizinischer Rehabilitation, noch bis 31.03.2023 | 01611, 01613 |
Telemonitoring bei Herzinsuffizienz | 03325, 03326, 04325, 04326 |
Leistungen, die nur mit Qualifikationsnachweis oder vertraglicher Besonderheit berechnet werden können:
MRSA-Diagnostik und Therapie Abschnitt IV 30.12 EBM | 30940 bis 30952, 30954, 30956, 30960, 30961 |
Spezialisierte geriatrische Diagnostik und Versorgung Abschnitt 30.1 EBM, Berechnung der GOP 30980 und 30988 ohne Qualifikationsnachweis möglich | 30980 bis 30988 |
Kooperations- und Koordinationsleistungen Abschnitt 37.2 EBM bei Kooperationsvertrag mit Pflegeheim | 37100, 37102, 37105, 37113, 37120 |
Anleitung zur Selbstanwendung eines Real-Time-Messgerätes zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung | 03355, 04590 |
Qualifizierte und koordinierte palliativmedizinische Versorgung Abschnitt 37.3 EBM, Berechnung der GOP 37305, 37306 und 37320 ohne Qualifikationsnachweis möglich | 37300 bis 37320, 37307 |
Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom | 30210, 30212, 30216, 30218 |
Quelle: Beschluss des Bewertungsausschusses (603. Sitzung) vom 5. August 2022
Ebenfalls weiterhin extrabudgetär vergütet werden die im hausärztlichen Bereich relevanten Leistungen nach den „Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V“ und den „Vereinbarungen über strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten gemäß § 137f bis g SGB V“ (DMP).
Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.