Bei der Umsetzung der Entbudgetierung ist ein Umdenken erforderlich

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Wenn am 1. Oktober 2025 die haus­ärzt­lichen Leistungen nach einer Euro-Gebühren­ordnung ausge­zahlt werden, endet eine „Zeit­reise“. Es gilt wieder die Einzel­leistungs­abrechnung – aber nur teil­weise. Die Pauschalen und internen mengen­begrenzenden Regelungen werden bleiben. Die wirklichen Ent­budgetierungen muss man des­halb suchen.

Am 1. Oktober 1987, also genau 38 Jahre vor der zum 1. Oktober 2025 geplanten Ent­budget­ierung, gab es eine grundlegende Reform des Einheit­lichen Bewertungs­maßstabs (EBM): Viele Einzel­leistungen wurden geschaffen, Fach­gruppen­grenzen gab es nicht. Besonders die „Sprechende Medizin“ wurde umfang­reich aufgewertet. Wer damals schon ärztlich tätig war, wird sich noch an die Gebühren­ordnungs­positionen (GOP) 10, 11 und 13 erinnern. Die damalige Bremse in der Gesamt­vergütung, die sich an der Grund­lohn­summen­entwicklung orientierte, machte diesem „Jahr­hundert­werk“ aber schnell ein Ende. Die individuelle Leistungs­abrechnung wurde immer mehr pauschaliert.

Insbesondere im haus­ärzt­lichen Bereich sind damals nahezu alle vorhandenen Einzel­leistungen in mehreren Zwischen­schritten in eine umfassende Versicherten­pauschale gepresst worden. Das Ausmaß kann man heute noch im Anhang 1 des EBM „bewundern“: In der haus­ärzt­lichen Versicherten­pauschale stecken 70 (!) ehemalige haus­ärzt­liche Einzel­leistungen.

Das ist auch nach der Ent­budget­ierung des haus­ärzt­lichen Honorars somit die Ausgangs­basis. Die heutige Nachfolge-GOP der damaligen GOP 10 ist zwar wieder da, die GOP 03230 wird aber jetzt durch ein internes Budget gebremst, das allen­falls einen Ansatz bei jeder zweiten Patientin bzw. jedem zweiten Patienten zum vollen Preis ermöglicht.

Schuld daran war und ist die Philosophie des Deutschen Haus­ärzte­verbandes (heute Haus­ärzt­innen- und Haus­ärzte­verband), die dazu führte, dass diese Pauschalierung forciert und – weil diese im EBM nicht weit genug möglich war – mit der Total­pauschalierung in der haus­arzt­zentrierten Versorgung (HzV) perfektioniert wurde.

Das rächt sich nun bei der Ent­budget­ierung des haus­ärzt­lichen Honorars. Die Pauschalen im Haus­arzt-EBM lassen trotz Euro­bewertung kaum eine Honorar­entwicklung in größerem Stil zu. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und sich damit nicht lange aufhalten.

Nur die „echten“ Ent­budget­ierungen führen zum Gewinn

Aber es gibt Perspektiven: Die verbliebenen Einzel­leistungen im Haus­arzt-EBM werden nun weitest­gehend, wie tatsächlich erbracht, in Euro und damit zu 100 % ausgezahlt. Hier wirkt die Ent­budget­ierung uneingeschränkt und der (Noch-)Gesundheits­minister hat dafür 500 Millionen Euro an zusätzlichem Honorar für die Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte veranschlagt.

Will man an diesem kalkulierten Gewinn teilhaben, muss man in der Patienten­versorgung aber umdenken. Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte wurden durch die Pauschalierung und Budgetierung mehr und mehr zum Gatekeeper (Tür­steher) in der ambulanten medizinischen Versorgung der Patient­innen und Patienten degradiert. Ein Vorgang, der durch die geplante verpflichtende Einführung eines Primär­arzt­systems in der GKV noch verschlimmert wird. Die Ent­budget­ierung bietet aber die Möglichkeit, wieder zum kompetenten Primär­versorger zu werden.

Wichtig: Wenn Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte das machen, ist ihnen eine Honorar­steigerung dort, wo die Ent­budget­ierung sie zulässt, auch sicher.

Die Leistungen des Haus­arzt­abschnitts sind der Schlüssel zum Erfolg

Die gesetzlichen Vorgaben im Gesundheits­versorgungs­stärkungs­gesetz (GVSG) fordern, dass Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte die Leistungen aus dem Abschnitt III.a 3 des EBM bevorzugt erbringen, und belohnen das nicht nur mit einer Euro­vergütung, sondern auch mit einer neu eingeführten Vorhalte­pauschale, deren Höhe allerdings noch verhandelt werden muss. Diese „Einzel­leistungs­reste“ im EBM ermöglichen es aber auch, dass Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte Herz-Kreislauf-Erkrankungen zunächst weit­reichend abklären, proktologische Fälle behandeln und geriatrische bzw. palliativ­medizinische Fälle allein versorgen können, ohne dass dies zu einer Budgetierung des Honorars führt. Im Detail führt dies zu einem Honorar­zuwachs, wenn die Patientin bzw. der Patient nicht nur zu Fach­ärzt­innen und Fach­ärzten überwiesen, sondern auch primär versorgt wird.

Den Weg zeigen die folgenden Fall­beispiele:

Die 69-jährige Patientin ist in der Praxis wegen einer seit vielen Jahren bestehenden Hypertonie bekannt. Sie kommt jetzt in die Praxis und klagt über eine seit einigen Tagen bestehende Belastungs­dyspnoe. Bei der Ursachen­abklärung einer solchen Symptomatik gibt es zwei Wege – die Überweisung an eine Praxis mit Schwerpunkt Kardiologie und ggf. Pneumologie oder die Nutzung der zur Verfügung stehenden haus­ärzt­lichen Diagnose­leistungen im EBM.

Der Unterschied führt zu einem um fast 30 Euro höheren Honorar – un­budgetiert.

Variante 1: Fach­arzt­über­weisungVariante 2: Eigen­diagnostik
EBMLegendeEuroEuroLegendeEBM
03004Versicherten­pauschale18,3418,34Versicherten­pauschale03004
03220Chroniker­pauschale 116,1116,11Chroniker­pauschale 103220
03230Beratung, je vollendete 10 Minuten15,8615,86Beratung, je vollendete 10 Minuten03230
03008Termin­vermittlung Kardiologie16,245,95Langzeit-EKG03322
   7,06Lang­zeit­blut­druck­messung03324
   6,57Spiro­graphie03330
   24,54Belastungs-EKG03321
Summe66,5594,43Summe

Sollte es auch nach der Ent­budget­ierung bei dem internen Budget für die GOP 03230 im „neuen“ EBM bleiben, wirkt sich das nicht auf die Relation des End­ergebnisses aus, da diese Einschränkung bei beiden Varianten greift.

Die Vorgehens­weise hätte außerdem zusätzliche Effekte: Wäre nach den Untersuchungs­ergebnissen in der Haus­arzt­praxis eine weitere fach­ärzt­liche Abklärung und/oder Behandlung erforderlich, käme auch bei der Variante 2 der Ansatz der GOP 03008 für die Fach­arzt­vermittlung hinzu und der Einsatz haus­ärzt­licher Leistungen aus dem Abschnitt III.a 3 würde zum zusätzlichen Ansatz der neuen Vorhalte­pauschale berechtigen.

In der Geriatrie sind die Auswirkungen noch signifikanter

Je nach Praxis­standort bewegt sich der Anteil geriatrischer Patient­innen und Patienten in einer haus­ärzt­lichen Praxis zwischen 30 und 50 %. Diesen Bedarf berücksichtigend stehen mit den geriatrischen Leistungen im EBM Honorar­anteile für einen großen Patienten­stamm zur Verfügung.

Im Vordergrund stehen mit den GOP 03360 und 03362 zwei, bisher allerdings nur pauschal vergütete Leistungs­positionen zur Verfügung, die unter den Zwängen der budgetierten Gesamt­vergütung nur einen ganz kleinen Anteil am Praxis­umsatz hatten. Das ändert sich nun in doppelter Hinsicht: Die GOP 03360 und 03362 werden in Euro vergütet, darüber hinaus wird auch hier der Ansatz der Vorhalte­pauschale gewährt.

Die Abrechnungs­möglichkeiten für die bei geriatrischen Patient­innen und Patienten erforderlichen Leistungen und das daraus resultierende Honorar sind außerdem vielfältig, das zeigt das folgende Fall­beispiel:

Der 76-jährige Patient ist seit vielen Jahren in haus­ärzt­licher Betreuung. Er leidet an einer Herz­insuffizienz NYHA II, einem mittel­gradigen Hypertonus und einem nicht-insulin­pflichtigen Diabetes mellitus Typ 2. Er kommt in Begleitung seiner Tochter in die Sprech­stunde, weil er nach deren Aussage seit einigen Monaten kognitive Störungen und eine signifikante Fall­neigung entwickelt hat. Da der Patient regelmäßig im Rahmen des DMP Diabetes Typ 2 und KHK untersucht wurde, wird zunächst nur der Barthel-Index erfasst und ein „Timed up and go + Chair-rise“-Test als geriatrisches Basis­assessment durchgeführt.

EBMLegendeEuro
03005Versicherten­pauschale (VP) im 76. Lebens­jahr24,79
03220Chroniker­pauschale 116,11
03360Haus­ärztlich-geriatrisches Basis­assess­ment, zweimal im Krank­heits­fall14,00
03230Beratung, je voll­endete 10 Minuten15,86
Summe 70,76

Wegen des Verdachts auf eine beginnende Demenz wird der Patient an eine auf Geriatrie spezialisierte Praxis überwiesen. Der Termin bei einer Fach­ärzt­in bzw. einem Fach­arzt für Innere Medizin mit der Schwerpunkt­bezeichnung Geriatrie kann innerhalb von 2 Wochen vereinbart werden.

EBMLegendeEuro
03221Chronikerpauschale 24,96
03362Haus­ärztlich-geriatrischer Betreuungs­komplex21,56
30980Abklärung vor der Durch­führung eines weiter­führenden geriatrischen Assess­ments, einmal im Krank­heits­fall23,92
03008Termin­ver­mittlung Geriatrie16,24
03230Beratung, je voll­endete 10 Minuten15,86
Summe 82,54

Die GOP 30980 gehört zwar nicht zum Haus­arzt­abschnitt III.a 3, wird aber extra­budgetär vergütet, sodass alle hier gezeigten Leistungen ebenfalls unbegrenzt in Euro vergütet werden. Zusätzlich denkbar wäre noch die ebenfalls extra­budgetär vergütete GOP 30988 (Therapie­maßnahmen gemäß multi­professioneller geriatrischer Diagnostik; 8,06 Euro, einmal im Krankheits­fall), wenn Therapie­vorschläge von auf Geriatrie spezialisierten Fach­ärzt­innen und Fach­ärzten umgesetzt werden sollen. Aus dem Haus­arzt­abschnitt kann als Verlaufs­kontrolle die GOP 03242 (Test­verfahren bei Demenz­verdacht; 2,85 Euro je Test, bis zu dreimal im Quartal) zum Ansatz kommen. Die Leistung ist allerdings im selben Quartal nicht neben der GOP 03360 berechnungsfähig.

Fazit

Das (politisch) erklärte Ziel der Honorar­reform ist, dass Haus­ärzt­innen und Haus­ärzte wieder zu ihrer originären Funktion als Primär­versorger zurückkehren und sich nicht nur als „Lenker“ betätigen. Dafür sind eindeutig finanzielle Anreize gesetzt, die man, weil gewollt, auch mobilisieren darf.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.