Wer bezahlt den Aufklärungsaufwand bei den COVID-Impfungen?
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
20 Euro bekommen Vertragsärztinnen und -ärzte für eine Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus. Die zugrunde liegende Leistung beinhaltet aber einen erheblichen Aufklärungs- und Bürokratie-Aufwand und ist so gesehen potenziell zu niedrig bemessen. Dies gilt insbesondere für die Impfberatung. Hier gibt es aber „Ausweichmanöver“!
Die Aufhebung der Priorisierung und der bisherigen Altersgrenzen, ja sogar eine Verkürzung des Impfabstandes bei dem Impfstoff von AstraZeneca hat in den Praxen zu einer zusätzlichen Beratungsbelastung ohne adäquaten finanziellen Ausgleich geführt. Die Tatsache, dass vollständig Geimpfte künftig wieder unter wesentlich geringeren Auflagen in Urlaub fahren können, dürfte dieses Geschehen noch potenzieren. Das Honorar von 20 Euro deckt spätestens dann diesen Mehraufwand nicht mehr ab, zumal insbesondere die Applikation des Impfstoffs von AstraZeneca aus der politischen Ebene mit einem erhöhten Aufklärungsaufwand verknüpft wurde.
Das Honorar wird dem Aufwand nicht immer gerecht!
§ 1 Abs. 2 der aktuellen CoronaImpfV definiert als Inhalte des Impfhonorars u. a. eine „Aufklärung und Impfberatung der zu impfenden Person, die symptombezogene Untersuchung zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien, die Verabreichung des Impfstoffes, die Beobachtung der sich an die Verabreichung des Impfstoffes unmittelbar anschließenden Nachsorgephase und die erforderliche medizinische Intervention im Fall des Auftretens von Impfreaktionen“. Dabei wird der Umfang der Aufklärung und Impfberatung konkretisiert als Information über den Nutzen der Schutzimpfung und die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), die Erhebung der Anamnese einschließlich der Impfanamnese sowie die Befragung über das Vorliegen möglicher Kontraindikationen, die Feststellung der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien, Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen der Schutzimpfung, die Informationen über den Eintritt und die Dauer der Schutzwirkung, Hinweise zu Folge- und Auffrischimpfungen sowie Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Schutzimpfung.
Zur Berechnung dieser mit umfangreichen Auflagen verbundenen Impfleistung stehen den Hausärzten die bundeseinheitlichen Pseudoziffern 88331 bis 88340 zur Verfügung, ergänzt durch ein Suffix, das Hinweise auf die geimpfte Personengruppe gibt.
Will ein Patient sich nicht sofort impfen lassen und möchte zunächst eine Impfaufklärung, steht zur Abrechnung die ebenfalls bundeseinheitliche Pseudonummer 88322 zur Verfügung. Sie kann allerdings nur abgerechnet werden, wenn die Corona-Impfung bei dem Betreffenden nicht im gleichen Krankheitsfall – das bedeutet nicht im aktuellen Quartal und den drei darauffolgenden Quartalen – in der gleichen Praxis durchgeführt wird.
Diese Leistungen könnten als Impfberatung herangezogen werden!
Wenn der Betreffende doch noch in der Praxis geimpft wird, kann nur eine der o. g. Impfziffern berechnet werden. Der Ansatz der Nr. 88322 hingegen entfällt. Angesichts des zu erwartenden Mehraufwandes müsste dieser Ausschluss aber eigentlich aufgehoben oder das Impfhonorar angehoben werden. Da mit einer nachhaltigen Änderung der Honorarhöhe aber nicht zu rechnen ist, stellt sich deshalb die Frage, welche Alternativen ggf. zur Berechnung des Beratungsaufwandes vorhanden sind. Je nach der Art der Beratung kommen hier drei EBM-Leistungen in Betracht:
- Die Berechnung der EBM-Nr. 01434 (zunächst noch bis 30.09.2021) käme bei einer telefonischen Impfberatung von mindestens 5 Minuten zum Ansatz, wenn das Gespräch im Zusammenhang mit einer Erkrankung und der Frage steht, ob eine Impfung deshalb durchgeführt werden kann.
- Gleiches gilt, wenn das Gespräch in der Praxis stattfindet und mindestens 10 Minuten dauert, für den Ansatz der Nr. 03230 EBM. Hier könnte insbesondere die Erörterung der Thrombosegefahr und damit ein „problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist“ als Anlass dienen.
- Besteht ein erhöhter Gesprächsaufwand wegen einer Impfphobie, käme der Ansatz der Nr. 35110 EBM in Betracht.
Lässt sich der Betreffende nicht in der Praxis, sondern an anderer Stelle – z. B. in einem Impfzentrum – impfen, kann die Berechnung der Leistung nach Nr. 88322 verbleiben. Benötigt der Patient dafür eine Priorisierungsbescheinigung, kann zusätzlich die bundeseinheitliche Pseudoziffer 88320 berechnet werden. Angesichts der zunehmenden Aufhebung der Impfpriorisierungsauflagen dürfte diese Leistung aber zunehmend in den Hintergrund treten.
In der Gesamtbetrachtung ist beachtenswert, dass die Beratungsleistungen nach den Nrn. 88322 und 01434 EBM extrabudgetär vergütet werden, während die Leistungen nach den Nrn. 03230 und 35110 EBM Bestandteil der budgetierten Gesamtvergütung sind.
Tab. 1: Diese Leistungen könnten in der Praxis für eine Impfberatung berechnet werden
GOP | Legende | Euro | |
---|---|---|---|
Extrabudgetäre Vergütung | |||
88322 | Ausschließliche Impfberatung, einmalig je Impfberechtigten, auch telefonisch oder per Videosprechstunde, einmal im Krankheitsfall | 10,00 | |
88320 | Ausstellung Zeugnis im Kontext der CoronaImpfV | 5,00 | |
01434 | Zuschlag im Zusammenhang mit der GOP 01435 oder der Versichertenpauschale für die telefonische Beratung durch einen Arzt, je 5 Minuten | 7,23 | |
Budgetierte Vergütung | |||
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist, je 10 Minuten | 14,24 | |
35110 | Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen | 21,47 |
Quellen: CoronaImpfV Stand Juli 2021, EBM
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis in Hofheim/Taunus und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.