Wenn die Urlaubsreise ansteht!
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Welche Impfungen sind notwendig und wer zahlt was?
Reisemedizin ist definiert als die Information über gesundheitliche Risiken im europäischen Ausland und auf anderen Kontinenten sowie das Wissen, wie diese Gesundheitsrisiken vermieden oder reduziert werden können. Arztpraxen nehmen hier als Berater eine wichtige Position ein, denn vor allem bei Reisen in tropische und subtropische Länder gibt es gesundheitliche Risiken, die man vermeiden kann.
Die Hälfte aller in fremde Länder Reisende erkrankt während oder nach der Reise, 10 % müssen wegen dieser gesundheitlichen Probleme einen Arzt aufsuchen, 8 % erkranken so schwer, dass sie vorübergehend bettlägerig werden, 3 % sind auch nach Rückkehr aus dem Urlaub noch arbeitsunfähig. Das ist nicht nur medizinisch, sondern auch volkswirtschaftlich von Bedeutung.
Vor einer Urlaubsreise sollten deshalb z. B. Hausärzte ihren Patienten eine Beratung, insbesondere über notwendige Impfungen und Prophylaxen, anbieten. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Klärung der Frage, zu wessen Lasten die Kosten für den größten Teil der Reisevorbereitung – die Impfungen – gehen.
Auskunft darüber erteilt die Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Während nämlich die reine Beratungsleistung vor einer Urlaubsreise immer eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) ist, sind für viele Impfungen die gesetzlichen Kassen (GKV) zahlungspflichtig.
So kann eine Reiseberatung in Rechnung gestellt werden!
Eine reisemedizinische Beratung sollte die Erhebung der Anamnese vorliegender Erkrankungen, Hinweise auf Besonderheiten im Urlaubsland, die Empfehlung zur Mitnahme von Medikamenten und die Information über notwendige Impfungen und Prophylaxen beinhalten. Im Ratgeber zu den IGeL für Patienten sowie Ärzte, einer Broschüre der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierter Medizin e.V., findet man unter der Internetadresse https://www.kbv.de/html/igel.php eine diesbezügliche Abrechnungsempfehlung. Als angemessen werden bei der Beratungsleistung die Nr. 3 GOÄ und bei den Impfungen die Nrn. 375–378, ggf. zzgl. notwendiger Untersuchungsleistungen nach den Nrn. 7 oder 8 GOÄ, angesehen. In der neuen, bisher noch nicht gültigen GOÄ, wie sie zwischen BÄK und PKV bereits verhandelt wurde, finden sich die in Tabelle 1 dargestellten Abrechnungspositionen, bei denen allerdings die Preise nur einseitig von der BÄK festgelegt wurden.
Geht man von einer 10-minütigen Beratungsdauer und einer Berechnung nach der alten GOÄ-Nummer 3 aus, würde sich beim 2,6-fachen Satz ein Honorar von 22,72 Euro und bei einem Faktor 3,44 von 30 Euro ergeben. Da in beiden Fällen beim Faktor der Höchstwert von 3,5 nicht überschritten wird, müsste dies lediglich in der Rechnung begründet werden. Beim Abschluss eines Behandlungsvertrages zu diesen Konditionen wäre das hingegen nicht erforderlich. Da die neue GOÄ einen maximal 5-fachen Ansatz erlaubt und damit ein Maximalhonorar von 114,10 Euro, wäre im Rahmen des Ansatzes der Nr. 3 GOÄ alt ein Faktor über 3,5 und damit auf jeden Fall ein Behandlungsvertrag mit entsprechender Abdingung erforderlich.
Tab. 1: An diesen Beträgen aus der Beratungsleistung vor einer Urlaubsreise in der neuen GOÄ kann man sich orientieren:
GOÄ | Legende | Euro |
---|---|---|
9 | Reisemedizinische Beratung durch den Arzt, einschließlich Impfgespräch, ggf. einschließlich Dokumentation, Dauer unter 10 Minuten Die Leistung nach Nummer 9 ist entweder als alleinige Gesprächsleistung oder als Abschlussleistung zur Leistung nach Nummer 10 berechnungsfähig. | 8,72 |
10 | Reisemedizinische Beratung durch den Arzt, einschließlich Impfgespräch, ggf. einschließlich Dokumentation, je vollendete 10 Minuten Die Leistung nach Nummer 10 ist je Kalendertag bis zu 5-mal berechnungsfähig. | 22,82 |
Welche Impfungen zahlt die GKV?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) hat nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) den gesetzlichen Auftrag, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen in Deutschland zu geben. Neben Standardimpfempfehlungen für die gesamte Bevölkerung oder für bestimmte Altersgruppen spricht sie Impfempfehlungen für Menschen mit besonderen Indikationen aus. Wegen eines erhöhten Expositionsrisikos gegenüber bestimmten impfpräventablen Erkrankungen auf Auslandsreisen macht die STIKO aber auch Empfehlungen zu Reiseimpfungen. Dabei geht die STIKO davon aus, dass Reiseimpfungen nicht nur einen individuellen Schutz vor bestimmten Infektionserkrankungen bieten, sondern ein adäquater Impfschutz von Reisenden auch im öffentlichen Interesse liegt, da Infektionserreger nach Deutschland importiert oder ins Reiseland exportiert werden können. Reiseimpfberatungen bieten deshalb auch die Gelegenheit, den individuellen Impfstatus zu überprüfen und mögliche Impflücken zu schließen, denn die gesundheitlichen Risiken für Reisende werden nicht allein durch das Reiseland bestimmt. Für eine individuelle Risiko-Nutzen-Bewertung von Impfungen ist es unverzichtbar, auch die Anamnese der Reisenden und relevante Aspekte der Reise zu berücksichtigen.
Tab. 2: So können Reiseimpfungen in Rechnung gestellt werden:
Erkrankung | Gruppe | Infektionsweg | Abrechnung | |
---|---|---|---|---|
Mensch zu Mensch | EBM | GOÄ | ||
Diphtherie | 1 | Ja | 89303R | |
Auffrischimpfungen ab dem Alter von 18 Jahren jeweils 10 Jahre nach der letzten vorangegangenen Dosis. Die Impfung sollte in Kombination mit der gegen Tetanus (Td) durchgeführt werden. Alle Erwachsenen sollen die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung erhalten. | ||||
Masern | 1 | Ja | 89301A | |
Da in Deutschland derzeit kein Monoimpfstoff gegen Masern lieferbar ist, sind Kombinationsimpfstoffe (MMR oder bei entsprechender Notwendigkeit MMRV) zu verwenden! | ||||
FSME | 2 | Nein | 89102X | 375 |
Nur bei Anreise aus einem deutschen Endemiegebiet in ein ausländisches Endemiegebiet GKV-Leistung. | ||||
Influenza | 2 | Ja | 89112Y | |
Japanische Enzephalitis | 3 | Nein | 375 | |
Tollwut | 3 | Nein | 375 | |
Meningokokken | 3 | Ja | 89115X | |
Cholera | 3 | Nein | 375 | |
Typhus | 3 | Nein | 375 376 | |
Gelbfieber | 3 | Nein | 375 | |
Polio | 3 | Ja | 89122X | |
Hepatitis | 3 | Bedingt | 89202X | 375 |
Übertragung der Hepatitis B über Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten möglich, bei Hepatitis A nur über infizierte Lebensmittel. Serologische Vortestung nach SI-RL möglich, um Impfindikation abzuklären. GKV-Erstattung individuell möglich. | ||||
Quelle: § 11 SI-RL
Bei der Beantwortung der Frage, welche Impfungen notwendig sind und wer dafür bezahlen muss, kann man aus den Bestimmungen des § 11 der SI-RL drei Gruppen ableiten:
- Fallgruppe 1:
Versicherte haben Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen, die vom G-BA auf der Grundlage der Empfehlungen der STIKO in Anlage 1 zu dieser Richtlinie aufgenommen wurden. Das gilt zunächst für alle dort aufgelisteten Impfungen. Darunter fallen in erster Linie Impfungen, die in Deutschland relevant und deshalb grundsätzlich zulasten der GKV gehen (siehe Tabelle 2). - Fallgruppe 2:
Versicherte haben nur dann Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen nach Absatz 1, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt indiziert sind, wenn der Auslandsaufenthalt beruflich oder durch eine Ausbildung bedingt ist. Hier geht es um Impfungen, die ggf. nicht in die Leistungspflicht der GKV fallen, weshalb der Arbeitgeber oder der Reisende selbst die Kosten tragen muss. Hier ist zu beachten, dass nach der SI-RL Impfungen, die im Rahmen einer beruflich bedingten Auslandsreise erfolgen, über den Arbeitgeber erstattungsfähig sind, § 3 Abs. 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) aber definiert, dass „Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen darf“. Dies wäre bei Impfungen aber nur der Fall, wenn die GKV nicht zahlungspflichtig ist. - Fallgruppe 3:
Versicherte haben nur dann Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen nach Absatz 1, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt indiziert sind, wenn entsprechend den Hinweisen in Anlage 1 zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse daran besteht, der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen. Das ist die wichtigste Passage des § 11 der SI-RL, da sie der GKV auch die Kosten für Impfungen zuweist, wenn eine Gefährdung der Bevölkerung durch Einschleppung besteht. Betroffen sein können dabei deshalb aber nur Impfungen gegen Erkrankungen, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind.
Aus diesen drei Fallgruppen ergeben sich die Zuständigkeiten, wie sie in der Tabelle 2 dargestellt sind.
Bei Mehrfachimpfungen sollte man beachten, dass Impfungen bzw. Impfserien spätestens 2 Wochen vor Reisebeginn abgeschlossen sein sollten, um eine ausreichende protektive Immunität und das Abklingen bzw. die Behandlung etwaiger unerwünschter Arzneimittelwirkungen vor Reiseantritt zu gewährleisten. Totimpfstoffe können ohne Sicherheitsbedenken in jedweder Kombination am selben Tag gegeben werden. Wenn vor der Abreise genügend Zeit ist, sollten – insbesondere bei der Indikation für die Gabe mehrerer Lebendimpfstoffe – diese für ein optimales Impfansprechen nicht am selben Tag, sondern im (Mindest-)Abstand von 4 Wochen verabreicht werden. Falls aus Zeitgründen dieser Abstand nicht eingehalten werden kann, können zwei Lebendimpfstoffe auch am selben Tag, dann allerdings auf verschiedene Gliedmaßen verteilt, appliziert werden. Eine orale Typhusimpfung ist zeitgleich mit anderen Lebendimpfstoffen möglich.
Fazit:
Abgesehen von den Regelungen, die sich aus der SI-RL ergeben, erstatten viele GKV-Kassen bei privaten Auslandsreisen im Rahmen einer freiwilligen Satzungsleistung die Kosten für Impfungen und eine Malariaprophylaxe. Da es Unterschiede zwischen den einzelnen Kassen gibt, sollten sich die Reisenden selbst individuell zur Klärung der Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse informieren. Im Zweifelsfall sollte deshalb der jeweils erforderliche Impfstoff zunächst privat verordnet werden, damit der Reisende die Rechnung bei seiner Kasse zur Erstattung einreichen kann. Die Impfleistung selbst kann unabhängig von einer Zusage, wie in der Tabelle 2 dargestellt, privat oder mit der GKV-Impfziffer über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung geltend gemacht werden.
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.