Was bedeutet die neue GOÄ für die hausärztliche Versorgung?
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Es hagelt seit Bekanntgabe der neuen Preise für die einzelnen GOÄ(Gebührenordnung für Ärzte)-Leistungen Kritik. Während viele fachärztliche Berufsverbände zürnen, scheint der Hausärztinnen- und Hausärzteverband die Novellierung positiv zu beurteilen. Die Frage, welche Auswirkungen die neue GOÄ auf die hausärztliche Versorgung haben kann, soll deshalb an dieser Stelle näher beleuchtet werden.
In Tabelle 1 sind die wichtigsten hausärztlichen Leistungen dargestellt, wie sie nun inhaltlich überarbeitet in die neue GOÄ Einzug gehalten haben. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie sich die preisliche Gestaltung verändert hat, sind dort die aktuellen, mit dem Regel-Multiplikator erzielbaren Honorare den Preisen gegenübergestellt, wie sie von der Bundesärztekammer (BÄK) betriebswirtschaftlich ermittelt und nun mit der PKV vereinbart wurden.
Tab. 1: Gesprächsleistungen (Auszüge) in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten Version
GOÄ-Leistung (soweit in alter und neuer GOÄ vergleichbar) | GOÄ- | Preis aktuell / Euro | Preis BÄK / Euro | Preis BÄK/ PKV / Euro |
Persönliche Beratung durch den Arzt | | | | |
Zuschlag zu einer Beratung für die palliativmedizinische Betreuung des Patienten | 34 | 40,22 | 89,35 | 94,32 |
Betreuung, Aufklärung und Beratung von Angehörigen im Rahmen der Behandlung von palliativmedizinischen Patienten | 34 | 40,22 | 9,81 | 7,72 |
Beurteilung der Auswirkung der diagnostizierten Erkrankungen auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden und/oder lebensbedrohenden Erkrankung einschließlich Beurteilung der Interaktion der Medikamente (und ggf. Anpassung der Verordnung) bei einem multimorbiden Patienten mit mindestens vier chronischen den Behandlungsaufwand erschwerenden Erkrankungen unter Polymedikation (mindestens fünf über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen verordnete Medikamente) | 34 | 40,22 | 43,35 | 41,35 |
Anamnese und verbale Intervention im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung mit ätiologischen Erwägungen | 849 | 30,84 | 8,38 | 6,64 |
Beratung durch den Arzt mittels Telefon oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), Dauer bis zu 10 Minuten | 1 | 10,72 | 8,34 | 14,11 |
Beratung durch den Arzt mittels Telefon, Dauer mehr als 10 Minuten | 3 | 20,10 | 19,34 | 19,26 |
Erhebung einer ausführlichen Erstanamnese, Dauer 60 Minuten | 30 | 120,66 | 134,70 | 128,12 |
Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken oder einen zu Beratenden und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en), im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken oder einer Beratung zur Prävention | 4 | 29,49 | 32,38 | 30,88 |
Ausstellung von Wiederholungsrezepten und/oder Überweisungen und/oder Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen, auch mittels Telefon, Videotelefonie oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), durch qualifiziertes Praxispersonal und/oder Messung von Körperzuständen (z. B. Blutdruck, Temperatur) ohne Beratung, bei einer Inanspruchnahme des Arztes | 2 | 3,15 | 3,95 | 3,34 |
Quelle: BÄK, eigene Erhebungen
Betrachtet man zunächst nur die Beratungsleistungen in Tabelle 1, fällt es schwer, die Aufregung in den berufspolitischen Medien nachzuvollziehen. Die sog. sprechende Medizin wird nahezu durchgehend besser bewertet und weitestgehend von bisherigen Zwängen befreit, wie z. B. die Kombination der längeren Beratung nach Nr. 3 nur mit bestimmten Untersuchungsleistungen. Man kann sogar von einer Art „Befreiung“ der einfachen Gesprächsleistung sprechen, die jetzt je 10 Minuten und pro Tag bis zu fünfmal und auch neben Sonderleistungen berechnungsfähig ist. Auch der Zuschlag für die palliativmedizinische Beratung, wenn auch nur einmal im (GOÄ-)Behandlungsfall, sowie die zusätzliche Möglichkeit der Abrechnung einer Beratung und der Betreuung der Angehörigen stellen einen Fortschritt dar. Ein wesentliches Auseinanderdriften der von der BÄK ermittelten Preise und den von der PKV akzeptierten ist nicht erkennbar.
Bemerkenswert ist darüber hinaus die jetzt in der GOÄ deutliche Differenzierung des Gesprächshonorars nach Inhalten. So gibt es weiterhin die „alte“ Nr. :34, jetzt zwar mit höheren inhaltlichen Anforderungen, aber ohne eine Zeitvorgabe bei einer nur leicht modifizierten Einschränkung der Berechnungshäufigkeit auf einmal im Kalenderhalbjahr. Sogar die bisher dem Fachkapitel untergeordnete psychosomatische Behandlung zählt zukünftig, wenn auch etwas geringer bewertet als in der derzeitigen GOÄ, zu den Gesprächsgrundleistungen, sodass der Gedanke, dies wäre nur mit einer Zusatzqualifikation berechnungsfähig oder für Hausärztinnen und Hausärzte fachfremd, erst gar nicht aufkommen kann.
Es gibt kein Hausarzt-Kapitel, aber exklusive hausärztliche Leistungen
Das Bestreben, diese private Gebührenordnung auch für den hausärztlichen Bereich fit zu machen, wird bei einer Reihe von neuen Leistungen erkennbar, die in der Tabelle 2 zusammengefasst sind und nur oder bevorzugt von Hausärztinnen und Hausärzten berechnet werden können.
Tab. 2: Hausärztliche Leistungen in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten Version
GOÄ-Leistung (soweit in alter und neuer GOÄ vergleichbar) | GOÄ- | Preis aktuell / Euro | Preis BÄK / Euro | Preis BÄK/ PKV / Euro |
Hausärztliche Betreuung eines Patienten, bis zu zweimal im Kalenderhalbjahr berechnungsfähig |
|
| 97,53 | 90,00 |
Zuschlag zur hausärztlichen Betreuung eines Patienten mit mehr als einer chronischen Erkrankung bei besonderem Aufwand durch die Koordination des aufwendigen Therapieregimes, insbesondere bei bekanntem Risiko pharmakologischer Interaktionen |
|
| 37,35 | 35,00 |
Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment zur quantitativen Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen |
| 10,33 | 8,18 | |
Koordination und Zusammenarbeit mit Dritten, sofern die zuvor genannte Leistung nicht abgerechnet werden kann |
|
| 34,33 | 32,43 |
Aufsuchen eines Patienten in häuslicher Umgebung durch qualifizierte Mitarbeiter ohne Anwesenheit des Arztes im Zuge der Befunderhebung und/oder Behandlung (z. B. zur Durchführung von kapillaren oder venösen Blutentnahmen, Wundbehandlungen, Verbandwechsel, Katheterwechsel), wenn der Patient die Praxis aus medizinischen Gründen nicht aufsuchen kann, zzgl. Wegegeld | 52 | 5,83 | 37,77 | 34,20 |
Als Quantensprung kann man hier die neue Hausbesuchsleistung für MFA bezeichnen. Sie übertrifft nicht nur die bisherige Bewertung in der GOÄ um Welten, sondern steht auch eindeutig über den vergleichbaren Besuchsleistungen im aktuellen einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und sogar der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV): Es gibt keine konkreten Einschränkungen bei den so delegierbaren Leistungen und Patientenkreisen und sogar Kilometergeld ist zusätzlich berechnungsfähig.
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.