Was bedeutet die neue GOÄ für die hausärztliche Versorgung?

      Abrechnung     Meine Praxis; Wirtschaft­liche Ver­ord­nung

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Es hagelt seit Bekannt­gabe der neuen Preise für die einzelnen GOÄ(Gebühren­ordnung für Ärzte)-Leistungen Kritik. Während viele fach­ärztliche Berufs­verbände zürnen, scheint der Haus­ärztinnen- und Haus­ärzte­verband die Novellierung positiv zu beurteilen. Die Frage, welche Aus­wir­kun­gen die neue GOÄ auf die haus­ärzt­liche Ver­sor­gung haben kann, soll deshalb an dieser Stelle näher beleuchtet werden.

In Tabelle 1 sind die wichtigsten haus­ärzt­lichen Leistungen darge­stellt, wie sie nun inhalt­lich über­arbeitet in die neue GOÄ Einzug gehalten haben. Um einen Ein­druck davon zu gewinnen, wie sich die preis­liche Gestal­tung ver­ändert hat, sind dort die aktuellen, mit dem Regel-Multipli­kator erziel­baren Honorare den Preisen gegen­über­gestellt, wie sie von der Bundes­ärzte­kammer (BÄK) betriebs­wirt­schaft­lich ermittelt und nun mit der PKV vereinbart wurden.

Tab. 1: Gesprächsleistungen (Auszüge) in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten Version

GOÄ-Leistung (soweit in alter und neuer GOÄ vergleichbar)

GOÄ-
Ziffer
aktuell

Preis
aktuell /
Euro
Preis BÄK / EuroPreis BÄK/
PKV /
Euro

Persönliche Beratung durch den Arzt
• Dauer unter 10 Minuten 
• je vollendete 10 Minuten

 
1
3

 
10,72
20,10

 
8,41
22,29

 
14,11
21,21

Zuschlag zu einer Beratung für die palliativmedizinische Betreuung des Patienten
• Dauer unter 10 Minuten
• je vollendete 10 Minuten

34

40,22

89,35
103,23

94,32
101,42

Betreuung, Aufklärung und Beratung von Angehörigen im Rahmen der Behandlung von palliativmedizinischen Patienten
• Dauer unter 10 Minuten
• je vollendete 10 Minuten

34

40,22

9,81
26,66

7,72
25,14

Beurteilung der Auswirkung der diagnostizierten Erkrankungen auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden und/oder lebensbedrohenden Erkrankung einschließlich Beurteilung der Interaktion der Medikamente (und ggf. Anpassung der Verordnung) bei einem multimorbiden Patienten mit mindestens vier chronischen den Behandlungsaufwand erschwerenden Erkrankungen unter Polymedikation (mindestens fünf über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen verordnete Medikamente)

34

40,22

43,35

41,35

Anamnese und verbale Intervention im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung mit ätiologischen Erwägungen
• Dauer unter 10 Minuten
• je vollendete 10 Minuten

849

30,84

8,38
22,76

6,64
21,63

Beratung durch den Arzt mittels Telefon oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), Dauer bis zu 10 Minuten

1

10,72

8,34

14,11

Beratung durch den Arzt mittels Telefon, Dauer mehr als 10 Minuten

3

20,10

19,34

19,26

Erhebung einer ausführlichen Erstanamnese, Dauer 60 Minuten

30

120,66

134,70

128,12

Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken oder einen zu Beratenden und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en), im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken oder einer Beratung zur Prävention

4

29,49

32,38

30,88

Ausstellung von Wiederholungsrezepten und/oder Überweisungen und/oder Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen, auch mittels Telefon, Videotelefonie oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), durch qualifiziertes Praxispersonal und/oder Messung von Körperzuständen (z. B. Blutdruck, Temperatur) ohne Beratung, bei einer Inanspruchnahme des Arztes

2

3,15

3,95

3,34

Quelle: BÄK, eigene Erhebungen

Betrachtet man zunächst nur die Beratungs­leistungen in Tabelle 1, fällt es schwer, die Auf­regung in den berufs­poli­tischen Medien nach­zu­voll­ziehen. Die sog. sprechende Medizin wird nahezu durch­gehend besser bewertet und weitest­gehend von bisherigen Zwängen befreit, wie z. B. die Kombination der längeren Beratung nach Nr. 3 nur mit bestimmten Unter­suchungs­leistungen. Man kann sogar von einer Art „Befreiung“ der einfachen Gesprächs­leistung sprechen, die jetzt je 10 Minuten und pro Tag bis zu fünfmal und auch neben Sonder­leistungen berech­nungs­fähig ist. Auch der Zuschlag für die palliativmedizinische Beratung, wenn auch nur einmal im (GOÄ-)Behandlungs­fall, sowie die zusätz­liche Möglich­keit der Abrech­nung einer Bera­tung und der Betreu­ung der Angehö­rigen stellen einen Fort­schritt dar. Ein wesent­liches Aus­einander­driften der von der BÄK ermittelten Preise und den von der PKV akzep­tierten ist nicht erkennbar.

Bemerkenswert ist darüber hinaus die jetzt in der GOÄ deut­liche Differen­zierung des Gesprächs­honorars nach Inhalten. So gibt es weiterhin die „alte“ Nr. :34, jetzt zwar mit höheren inhalt­lichen Anfor­derungen, aber ohne eine Zeit­vor­gabe bei einer nur leicht modifi­zierten Ein­schrän­kung der Berech­nungs­häufig­keit auf einmal im Kalender­halb­jahr. Sogar die bisher dem Fach­kapitel unter­geordnete psycho­soma­tische Behand­lung zählt zukünftig, wenn auch etwas geringer bewertet als in der der­zei­tigen GOÄ, zu den Gesprächs­grund­leistungen, sodass der Gedanke, dies wäre nur mit einer Zusatz­quali­fi­ka­tion berechnungs­fähig oder für Haus­ärztinnen und Haus­ärzte fach­fremd, erst gar nicht aufkommen kann.

Es gibt kein Hausarzt-Kapitel, aber exklusive hausärztliche Leistungen

Das Bestreben, diese private Gebühren­ordnung auch für den haus­ärzt­lichen Bereich fit zu machen, wird bei einer Reihe von neuen Leistungen erkennbar, die in der Tabelle 2 zusammen­gefasst sind und nur oder bevorzugt von Haus­ärztinnen und Haus­ärzten berechnet werden können.

Tab. 2: Hausärztliche Leistungen in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten Version

GOÄ-Leistung (soweit in alter und neuer GOÄ vergleichbar)

GOÄ-
Ziffer
aktuell

Preis
aktuell /
Euro
Preis BÄK / EuroPreis BÄK/
PKV /
Euro

Hausärztliche Betreuung eines Patienten, bis zu zweimal im Kalenderhalbjahr berechnungsfähig

 

 

97,53

90,00

Zuschlag zur hausärztlichen Betreuung eines Patienten mit mehr als einer chronischen Erkrankung bei besonderem Aufwand durch die Koordination des aufwendigen Therapieregimes, insbesondere bei bekanntem Risiko pharmakologischer Interaktionen

 

 

37,35

35,00

Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment zur quantitativen Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen
• Dauer unter 10 Minuten
• je vollendete 10 Minuten

 

 

10,33
26,59

8,18
25,02

Koordination und Zusammenarbeit mit Dritten, sofern die zuvor genannte Leistung nicht abgerechnet werden kann

 

 

34,33

32,43

Aufsuchen eines Patienten in häuslicher Umgebung durch qualifizierte Mitarbeiter ohne Anwesenheit des Arztes im Zuge der Befunderhebung und/oder Behandlung (z. B. zur Durchführung von kapillaren oder venösen Blutentnahmen, Wundbehandlungen, Verbandwechsel, Katheterwechsel), wenn der Patient die Praxis aus medizinischen Gründen nicht aufsuchen kann, zzgl. Wegegeld

52

5,83

37,77

34,20

Als Quantensprung kann man hier die neue Haus­besuchs­leistung für MFA bezeichnen. Sie über­trifft nicht nur die bisherige Bewer­tung in der GOÄ um Welten, sondern steht auch eindeutig über den ver­gleich­baren Besuchs­leistungen im aktuellen ein­heit­lichen Bewertungs­maßstab (EBM) und sogar der Haus­arzt­zen­trierten Ver­sor­gung (HzV): Es gibt keine konkreten Einschrän­kungen bei den so delegier­baren Leistungen und Patienten­kreisen und sogar Kilometer­geld ist zusätz­lich berechnungs­fähig.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.