Wann und wie dürfen Atteste bei Kassenpatienten privat liquidiert werden?
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Nach § 36 des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä) sind Vertragsärzte verpflichtet, die zur Durchführung der Aufgaben der Krankenkassen erforderlichen schriftlichen Informationen (Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten) auf Verlangen an die Krankenkasse zu übermitteln. In vielen Fällen sind hierzu Vordrucke vereinbart. Solche vereinbarten Vordrucke, kurze Bescheinigungen und Auskünfte müssen ohne besonderes Honorar gegen Erstattung von Auslagen ausgefüllt oder erstellt werden, es sei denn, dass eine andere Vergütungsregelung ausdrücklich vereinbart wurde.
Vordrucke der Kassen müssen deshalb einen Hinweis darüber enthalten, ob die Abgabe der Information gesondert vergütet wird oder nicht. Dabei ist zu beachten, dass die Formulare nach Muster 55 (Bescheinigung zur Feststellung der Belastungsgrenze), Muster 22 (Konsiliarbericht eines Vertragsarztes vor Aufnahme einer Psychotherapie) und Muster 25 (Kurvorschlag des Arztes zum Antrag auf ambulante Kur, Ausstellung des vereinbarten Vordrucks nach Muster 25) von Hausärzten nicht nach den dort angegebenen GOP 01610 bzw. 01612 berechnet werden können, da diese Leistungen mit der Versichertenpauschale abgegolten sind.
Abrechnungsfähig ist hingegen das Ausfüllen der in Tabelle 1 aufgelisteten Formulare.
Auch die freie Berichtsform ist berechnungsfähig!
Gutachten und Bescheinigungen mit gutachtlichen Fragestellungen, für die keine Vordrucke vereinbart wurden, müssen ebenfalls nach den Leistungspositionen des Abschnitts II 1.6 des EBM vergütet werden. Dazu gehören die Feststellung bzw. Stellungnahme nach den GOP 01615 (Krankenhausbegleitung) und 01626 (Cannabisverordnung). Auch wenn kein vereinbarter Vordruck verwendet wird, muss die Krankenkasse angeben, aufgrund welcher Bestimmungen des Sozialgesetzbuches oder anderer Rechtsvorschriften die Übermittlung der Information zulässig ist und ob bzw. wie sie berechnet werden kann. Bei solchen formlosen Berichterstattungen spielt noch die GOP 40142 eine Rolle, die als Schreibgebühr bei den Kostenpauschalen für Leistungen entsprechend der GOP 01615, 01620, 01621 oder 01622 je Seite bei Abfassung in freier Form zusätzlich berechnet werden kann, wenn vereinbarte Vordrucke nicht verwendet werden können (1,50 Euro/Seite). Beim Ansatz der GOP 01615 besteht allerdings die Einschränkung, dass die GOP 40142 nur einmal zusätzlich berechnet werden kann.
Diese Abrechnungspositionen können zum Ansatz gebracht werden, wenn die aufgeführten Formulare ausgefüllt werden sollen oder eine konkrete Anfrage der Krankenkasse vorliegt:
GOP | Legende | Punkte Euro |
---|---|---|
01611 | Verordnung von medizinischer Rehabilitation unter Verwendung des Vordrucks Muster 61 | 315 36,20 |
01613 | Zuschlag im Zusammenhang mit der Beantragung einer geriatrischen Rehabilitation nach der Gebührenordnungsposition 01611 | 75 |
01615 | Feststellung der medizinischen Notwendigkeit einer Mitaufnahme einer Begleitperson im Vorfeld einer nicht geplanten Krankenhausbehandlung und formlose Bescheinigung, einmal im Krankheitsfall | 30 |
01620 | Kurze Bescheinigung oder kurzes Zeugnis, nur auf besonderes Verlangen der Krankenkasse oder Ausstellung des vereinbarten Vordruckes nach dem Muster 50 | 30 |
01621 | Krankheitsbericht, nur auf besonderes Verlangen der Krankenkasse oder Ausstellung der vereinbarten Vordrucke nach den Mustern 11, 53 oder 56 | 44 |
01622 | Krankheitsbericht, nur auf besonderes Verlangen der Krankenkasse oder Ausstellung der vereinbarten Vordrucke nach den Mustern 11, 53 oder 56 | 83 |
01624 | Verordnung medizinischer Vorsorge für Mütter oder Väter gemäß § 24 SGB V unter Verwendung des Vordrucks Muster 64 | 210 |
01626 | Ärztliche Stellungnahme für die Krankenkasse bei der Beantragung einer Genehmigung gemäß § 31 Absatz 6 SGB V zur Verordnung von Cannabis, je Erstverordnung | 143 |
Quelle: EBM
Portokosten werden ab 2024 stark budgetiert!
Soweit Krankenkassen Versicherte bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind, unterstützen, sind Vertragsärzte bei Vorliegen einer aktuellen Schweigepflichtentbindung berechtigt, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Wenn ärztliche Berichte nach der GOP 01600 und Arztbriefe nach GOP 01601 per Post oder Telefax verschickt werden, kommen zusätzlich einmal die GOP 40110 (0,86 Euro) bzw. 40111 (0,05 Euro) zum Ansatz. Dabei gilt es zu beachten, dass es für die Berechnung der Portopauschalen nach den GOP 40110 und 40111 Höchstwerte pro Quartal gibt, ab denen keine Pauschale mehr gezahlt wird und die Portokosten von der Praxis damit selbst getragen werden müssen. Der Höchstwert ist im Jahr 2023 auf 28,38 Euro begrenzt und reicht somit für den Versand von rund 33 Briefen o. Ä. Ab dem 1. Oktober 2023 reduziert sich dieser Höchstwert bei Hausärzten aber auf 6,88 Euro und reicht damit nur noch für den Versand von rund 8 Briefen, Gutachten, Stellungnahmen etc. Hintergrund ist hier, dass auf diesem Weg der Übergang zum elektronischen Versand/Empfang „erzwungen“ werden soll. In diesem Fall kann für den Versand die Pseudonummer 86900 (0,28 Euro) und den Empfang die Pseudonummer 86901 (0,27 Euro) berechnet werden. Der Versand wird zusätzlich mit einer Förderpauschale nach der GOP 01660 (0,11 Euro) vergütet, die eigentlich bis zum 30.06.2023 begrenzt war, aber mittlerweile auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.
Fazit:
Spätestens ab Oktober des Jahres sollte man beim Versand von Briefen etc. entweder die elektronische Form wählen oder aber das Couvert mit dem Stempelaufdruck „Gebühr zahlt Empfänger“ versehen, wenn kein Freiumschlag beigefügt wurde!
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.