Neue GKV-Leistung: Krankenhausbegleitung von Menschen mit Behinderung wird möglich!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Seit dem 1. November 2022 gibt es eine neue Krankenhausbegleitungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Bei einer stationären Behandlung ist es künftig möglich, dass Menschen mit Behinderung eine Begleitung im Krankenhaus erhalten.

Die Besonderheit ist, dass diese Begleitpersonen, die aus dem engsten persönlichen Umfeld des Patienten stammen müssen, in bestimmten Fällen Anspruch auf eine Krankengeldzahlung bei einer solchen Begleitung haben. Damit ein solcher Anspruch auf Krankengeld entsteht, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die leider auch den bürokratischen Aufwand in der Arztpraxis tangieren.

So sehen die Voraussetzungen für eine Krankenhausbegleitung aus!

Anspruch auf eine Begleitung haben nur Patientinnen und Patienten, die Leistungen der sog. Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX beziehen. Das sind in der Regel Menschen mit Behinderung, die bereits im Alltag regelhaft einen Bedarf an Begleitung und Unterstützung durch eine vertraute Bezugsperson haben (§ 2 Absatz 1 SGB IX: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter abweichenden Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist).

Es können aber auch Menschen mit Behinderungen sein, die ausschließlich in bestimmten Situationen (z. B. bei Krankenhausbehandlung aufgrund der besonderen Belastungssituation oder wegen der Einbindung in ein Therapiekonzept) begleitet werden müssen.

Die Einschränkung beziehungsweise Behinderung eines Menschen allein ist wiederum kein begründendes Kriterium für die Mitaufnahme einer Begleitperson ins Krankenhaus. Es muss eine medizinische Notwendigkeit vorhanden sein, wenn z. B. ohne eine Begleitperson die notwendige Krankenhausbehandlung verweigert wird oder wenn nur mithilfe einer Begleitperson den Anweisungen des Krankenhauspersonals gefolgt werden kann oder wenn die Begleitung ins therapeutische Konzept im Krankenhaus eingebunden werden muss. Es wurden deshalb im G-BA Beschlusskriterien für die medizinische Notwendigkeit einer Mitaufnahme definiert, die in der Tabelle zusammengefasst sind.

Diese Kriterien müssen bei einer Krankenhausbegleitung einer behinderten Person erfüllt werden:

FallgruppeKriterien
Fallgruppe 1
Begleitung zum Zweck der Verständigung

Erhebliche oder komplette Beeinträchtigung der Kommunikation, insbesondere im Bereich

  • Kommunizieren, Sprechen, nonverbale Mitteilungen, Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -techniken oder
  • der kognitiv-sprachlichen Funktion
    • mit mangelnder Fähigkeit, die eigene Symptomatik oder Befindlichkeiten, wie Schmerzen oder Wünsche, deuten, beschreiben oder verstehen zu können oder
    • mit mangelnder Fähigkeit, die Informationen und Anweisungen des Behandlungsteams des Krankenhauses wahrnehmen, verstehen oder umsetzen zu können.
 

Fallgruppe 2
Begleitung zum Zweck der Unterstützung im Umgang mit durch die Krankenhausbehandlung verbundenen Belastungssituationen, insbesondere bei fehlender Kooperations- und Mitwirkungsfähigkeit

Schädigungen globaler oder spezifischer mentaler Funktionen, die sich insbesondere in Form von

  • motorisch geprägten Verhaltensauffälligkeiten,
  • eigen- und fremdgefährdendem Verhalten,
  • Abwehr oder Verweigerung pflegerischer und anderer medizinischer Maßnahmen,
  • Wahnvorstellungen, ausgeprägten Ängsten und Zwängen,
  • Antriebslosigkeit somatischer oder psychischer Genese oder
  • sozial inadäquaten Verhaltensweisen in erheblichem Ausmaß äußern.
 
Fallgruppe 3
Begleitung zum Einbezug in das therapeutische Konzept während der Krankenhausbehandlung oder zur Einweisung in nach der stationären Krankenhausbehandlung weiterhin notwendige Maßnahmen

Erhebliche Schädigungen oder Beeinträchtigungen, insbesondere

  • gemäß der Fallgruppen 1 oder 2,
  • neuromuskuloskelettaler und bewegungsbezogener Funktionen,
  • der Atmungsfunktionen oder
  • der Funktion der Nahrungsaufnahme, insbesondere des Schluckens.“
 

Quelle: G-BA 18. August 2022

Das muss die Praxis machen!

Eine ärztliche oder psychotherapeutische Notwendigkeit, dass eine Begleitung medizinisch erforderlich ist, kann bisher nur auf dem Formular 2 „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ bescheinigt werden. Das Formular 2 und die Hinweise zum Ausfüllen werden derzeit angepasst. Alternativ können Ärztinnen und Ärzte auch formlose, bis zu zwei Jahre gültige, Bescheinigungen ausstellen. Damit kann beispielsweise im Falle einer stationären Notaufnahme die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson gegenüber dem Krankenhaus ohne Zeitverlust bescheinigt werden.

Die abschließende Entscheidung über die Mitaufnahme einer Begleitperson trifft – nicht zuletzt auch unter Pandemiebedingungen – allerdings das Krankenhaus, da nur dort zum Zeitpunkt der Aufnahme beurteilt werden kann, ob und in welchem Umfang sich die Schädigungen und Beeinträchtigungen auf die aktuelle Krankenhausbehandlung auswirken. Ob die Begleitperson für ihren Einsatz tatsächlich Krankengeld erhält, entscheidet die zuständige GKV-Kasse.

Fazit

Der Aufwand für diese neue Leistung ist (zunächst) nicht mit einem Honorar verbunden, da auch hier eine Leistung der Kassenverwaltung auf die Arztpraxen verlagert wird und es sich, so gesehen, um einen ähnlichen Vorgang wie bei der neuen geriatrischen Reha-Verordnung handelt. Es bleibt abzuwarten, ob das so bleibt. Man sollte deshalb zunächst den Verwaltungsaufwand so niedrig wie möglich gestalten. So lange es kein entsprechend geändertes KH-Einweisungsformular mit möglicherweise eindeutigen Auskunftsanforderungen gibt, genügt der (lapidare) Satz auf dem bisherigen Formular „Begleitung des Patienten während des stationären Aufenthaltes aus medizinischen Gründen empfohlen!“ Will die Kasse mehr wissen, muss sie die Auskünfte separat anfordern und – da es hierfür bisher kein vereinbartes Formular gibt – (nach GOÄ) bezahlen!

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.