Kontinuierliche Glukosemessung: Das ist eigentlich ein Muss in der hausärztlichen Diabetikerversorgung!
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Wenn an Typ-2-Diabetes Erkrankte insulinpflichtig werden, kommt es bei der Behandlung darauf an, Hyper- und Hypoglykämien so weit wie möglich zu vermeiden. Der Stich in die Fingerbeere hat hier längst ausgedient, weil eine Steuerung der Behandlung nicht schnell genug erfolgt. Spätestens seit Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) zur Verfügung stehen, gibt es eigentlich keine Alternative zu einer bestmöglichen Stoffwechseleinstellung bei insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes. Die Hausärztin bzw. der Hausarzt als erster Ansprechpartner für diese Patientengruppe ist deshalb ganz besonders gefordert, für die notwendige Verbreitung des Systems zu sorgen.
Bei den CGM-Systemen können die kutan erfassten Messwerte mittlerweile automatisch auf ein Smartphone oder ein Lesegerät übertragen werden. Diese jederzeit aktuellen Daten erleichtern einerseits Patientinnen und Patienten den Alltag in der Diabetesbehandlung, sie ermöglichen andererseits aber auch den behandelnden Ärztinnen und Ärzten eine effektive Therapiesteuerung, und das – im Gegensatz zur Verordnung von Blutzuckerteststreifen – ohne Belastung eines Budgets, aus dessen Überschreitung ein Regress resultieren könnte.
Eine so erreichte frühzeitige Optimierung der glykämischen Kontrolle ist wichtig, da das Risiko für assoziierte Folgeerkrankungen signifikant reduziert werden kann. Patientinnen und Patienten profitieren außerdem von einer Zeitersparnis, da ihre Daten jederzeit über eine Cloudanbindung abrufbar sind und es kein Rätselraten mehr in Blutzuckertagebüchern oder nach manuellem Auslesen der Daten in der Praxis gibt.
So funktioniert CGM
Ein kleiner Sensor wird z. B. alle 14 Tage einfach und schmerzfrei an der Rückseite eines Oberarms angebracht, von wo aus kontinuierlich die Glukosewerte gemessen werden. Die Daten sendet der Sensor automatisch jede Minute an die dazugehörige Smartphone-App und/oder an das Lesegerät. Ein Scannen des Sensors – wie bei früheren Versionen – ist nicht mehr erforderlich. Optionale Alarme können Patientinnen und Patienten rechtzeitig vor einer Hyper- oder Hypoglykämie warnen. Das CGM-System kann somit Menschen mit einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 zu einer Änderung ihres Lebensstils motivieren, denn die kontinuierlichen Messwerte machen auch den Einfluss von Nahrungsmitteln und Bewegungseinheiten auf den Glukosespiegel direkt sichtbar. Betroffene lernen dabei, was sich positiv auf ihre Stoffwechseleinstellung auswirken kann, und beschäftigen sich intensiver mit ihrem Glukosespiegelverlauf. Auch der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt stehen durch die kontinuierlich gemessenen Werte fundiertere Daten zur Steuerung der Behandlung zur Verfügung. Bei der Anwendung der Messsysteme konnte gezeigt werden, dass der Therapieerfolg nachweislich verbessert wird und insulinpflichtige Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes ihren HbA1c-Wert nachhaltig senken konnten.
Bürokratische Entlastung der Hausarztpraxis
Die Verordnung ist denkbar einfach. Das CGM-System ist in der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfasst und kann einheitlich auf einem Muster-16-Rezept verordnet werden. Die Verordnung muss neben den üblichen Patientendaten die Produktbezeichnung, Erstversorgung oder Folgeversorgung (12 Monate), Jahresbedarf an Sensoren, optional PZN des Sensors, ggf. das Lesegerät mit Maßeinheit (mg/dl oder mmol/l), optional die PZN des Lesegerätes (mg/dl oder mmol/l), Diagnose und Therapieform (z. B. ICT bei Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2) enthalten. Die Verordnung von Sensoren und Lesegerät sollte dabei auf einem Rezept erfolgen. Wie bei jedem anderen Hilfsmittel auch genehmigt die jeweilige Krankenkasse die Verordnung, zu einer Budgetbelastung kommt es nicht.
Der Fall
Der 65-jährige Ewald F. ist GKV-Versicherter und seit 30 Jahren in hausärztlicher Behandlung. Es besteht ein medikamentös gut eingestellter Hypertonus. Das Körpergewicht ist mit 95 kg bei einer Körpergröße von 1,87 m erhöht. Seit seinem 55. Lebensjahr ist bei Ewald F. ein Typ-2-Diabetes bekannt. Nach anfänglicher Behandlung mit einem oralen Antidiabetikum ist die Stoffwechseleinstellung nur noch unter Einsatz von Insulin möglich. Der körperlich und geistig fitte Patient wurde deshalb auf eine intensivierte Behandlung mit einem Kurzzeit- und einem Langzeitinsulin geschult. Trotz dieser intensiven Schulung ist der HbA1c-Wert des Patienten auch nach häufiger, meist bis zu 4-maliger Messung des Blutzuckerspiegels nicht unter 7 % gesunken. Dem Patienten wird deshalb der Einsatz eines CGM-Systems angeboten und nach Verordnung eines Startersets eine technische Einweisung durchgeführt. Im Verlauf setzt der Patient auf der Grundlage der kontinuierlich übermittelten Daten das Kurzzeitinsulin wesentlich gezielter ein. Auch erkennt er, dass nicht nur kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel seine Stoffwechsellage negativ beeinflussen können, sondern auch andere Nahrungsmittel, und er passt seine Essgewohnheiten entsprechend an. Unterstützt wird er bei der Umsetzung dieser neuen Behandlungsmaßnahmen durch zunächst engmaschigere Therapiekontrollen in der Praxis. Eine Einschreibung in das DMP-Diabetes-2 erfolgte schon bei der ursprünglichen Diagnosestellung und wird im 3-monatigen Abstand fortgeführt.
So können die Leistungen bei dem Patienten in Rechnung gestellt werden:
Erstkontakt nach Verordnung
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro |
03004 | Versichertenpauschale für Versicherte ab Beginn des 55. bis zum vollendeten 75. Lebensjahr | 148/17,66 |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist, je 10 Minuten | 128/15,28 |
03220 | Zuschlag zu der Versichertenpauschale nach der GOP 03004 für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 130/15,51 |
Automatisch von der zuständigen KV zugesetzt werden einmal im Behandlungsfall die Gebührenordnungspositionen (GOP): | ||
03040 | Zusatzpauschale zu der GOP 03004 für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags gemäß § 73 Abs. 1 SGB V | 138/16,47 |
03020 | Hygienezuschlag zu der Versichertenpauschale nach der GOP 03004 | 2/0,24 |
03060 03061 | Zuschläge zu der GOP 03040 bzw. 03060 für die Unterstützung der hausärztlichen Versorgung durch qualifizierte nichtärztliche Praxisassistenten gemäß Anlage 8 und/oder Anlage 24 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) | 22/2,63 12/1,43 |
Folgekontakt(e) im neuen Quartal
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist, je 10 Minuten | 128/15,28 |
03221 | Zuschlag zu der GOP 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung, einmal im Behandlungsfall | 40/4,77 |
Bitte beachten
- Diabetikerinnen und Diabetiker sind auch bei guter Stoffwechseleinstellung eine Risikogruppe, bei der regelmäßig die in der GKV möglichen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden sollten. Im Falle von Ewald F. wäre das insbesondere die Gesundheitsuntersuchung (alle 3 Jahre), das Hautkrebsscreening (alle 2 Jahre), die Krebsvorsorge (alle 2 Jahre bzw. als Koloskopie alle 10 Jahre) und einmalig das Bauchaortenaneurysmen-Screening. Es bietet sich dabei an, diese Untersuchungen jeweils mit DMP-Kontrollen zu verbinden.
- Erfolgt die Behandlung zusammen mit einer diabetologischen Schwerpunktpraxis und ist die Schwerpunktpraxis fachärztlich tätig, kann für die Terminvermittlung jeweils die GOP 03008 zum Ansatz gebracht werden.
Ausblick Entbudgetierung
Bei dem geschildeten Fallbeispiel kommt als Ersatz für den Ansatz der GOP 03004 und 03220/03221 die neue Versorgungspauschale zum Ansatz. Sie würde für die insgesamt in diesem Krankheitsfall (4 Quartale) erbrachten Leistungen im Voraus für diesen Zeitraum gezahlt, wenn es im Folgequartal zu einem weiteren persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt (pAPK) kommt. Dies wäre bei den notwendigen Kontrolluntersuchungen, z. B. im Rahmen des DMP, gewährleistet. Bei der weiteren Betreuung des Patienten muss dann aber darauf geachtet werden, dass erneut innerhalb von 4 Quartalen an zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein pAPK erfolgt, damit der Ansatz der Versorgungspauschale jeweils möglich ist. Auch hier bietet sich eine DMP-Kontrolle im 3-monatigen Abstand an. Was die hier berechneten Einzelleistungen betrifft, so würden alle entbudgetiert und damit zu einem festen Eurobetrag vergütet werden.
Anders ist es beim Ansatz der GOP 03040, 03020 und ggf. 03360/03361. Diese Leistungen gehen in der neu geschaffenen Vorhaltepauschale auf und sind unabhängig von diesen Kontrollterminen. Der Ansatz oder das automatische Zufügen durch die KV kommt dabei nur in Betracht, wenn die Praxis definierte, typisch hausärztliche Leistungen erbringt, wie z. B. Hausbesuche oder geriatrische Leistungen. Bei einem 65-jährigen Patienten könnte das dazu führen, dass diese neue Leistung (noch) nicht zu 100 % berechnungsfähig ist.
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.