GOÄ – es gibt neue analoge Leistungen für die Psychotherapie

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Zum 1. Juli 2024 haben Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Beihilfestellen von Bund und Ländern (ausgenommen Hamburg und Schleswig-Holstein) neue gemeinsame Abrechnungsempfehlungen vereinbart. Betroffen sind eine große Zahl psychotherapeutischer Leistungen, die bisher im Gebührenverzeichnis nicht berücksichtigt waren.

Die neuen analogen Bewer­tungen greifen heterogen in das Kapitel „G Neuro­logie, Psychia­trie und Psycho­therapie“ der Gebühren­ordnung für Ärzte (GOÄ) ein.
Mit der neuen Analog­nummer 804 wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es mittler­weile auch digitale Gesund­heits­anwen­dungen (DiGA) gibt, die ausschließ­lich dem psycho­thera­peu­tischen und/oder psychia­trischen Bereich zuzurechnen sind. Ähnlich sieht es bei den beiden modifi­zierten Legenden der Nr. 855 aus, die der Vielfalt von Test­ver­fahren dort Rech­nung tragen sollen.

Offenkundig ist das Ziel bei den Nrn. 801, 804, 807, 812 und 817. Hier wird in den Legenden die Psycho­therapie der Psychiatrie gleich­gestellt. Mit den analogen Nrn. 812, 817 und 870 kommt es aber auch zur Darstellung von Leistungen, die bisher in der GOÄ überhaupt nicht abgedeckt waren. Die Legenden der analogen Nr. 85 und 860 schließ­lich konkreti­sieren bisher bereits vorhandene Leistungen auch auf dem psycho­therapeu­tischen Sektor.    

(Analog-)Bewertung

Leistungslegende

Euro (Einfachsatz)

804

Einbindung einer die Psychotherapie spezifisch ergänzenden oder unterstützenden DiGA, die bei psychotherapeutisch-psychiatrischer Indikation eingesetzt wird

8,74

855

Durchführung, Auswertung und Besprechung einer psychologischen – auch neuropsychologischen – Testbatterie zum umfassenden Assessment (mindestens 3 Testverfahren, z. B. PHQ-D, BDI, PSSI, ISR, HAQ), je Testbatterie

42,08

855

Anwendung eines validierten, standardisierten, strukturierten klinisch-diagnostischen Interviews (z. B. SIAB-EX, Module des SCID-5-CV, PANSS-Interview) mit schriftlicher Aufzeichnung, je Interview

42,08

801

Erhebung des aktuellen psychischen Befundes

14,57

804

Psychotherapeutische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch – auch mit gezielter Exploration, 1-mal je Kalendertag

8,74

807

Vertiefte Exploration in Fortführung einer biographischen psychotherapeutischen Anamnese bei Kindern oder Jugendlichen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung, auch in mehreren Sitzungen

23,31

807

Vertiefte Exploration in Fortführung einer biographischen psychotherapeutischen Anamnese bei Erwachsenen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung

23,31

860

Erhebung einer biographischen Anamnese mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung und Indikationsstellung eines wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahrens, auch in mehreren Sitzungen

53,62

817

Eingehende psychotherapeutische Beratung der Bezugsperson von Kindern oder Jugendlichen anhand erhobener Befunde und Erläuterung geplanter therapeutischer Maßnahmen

10,49

817

Eingehende psychotherapeutische Beratung der Bezugsperson von Erwachsenen anhand erhobener Befunde und Erläuterung geplanter therapeutischer Maßnahmen

10,49

870

Systemische Therapie sowie Neuropsychologische Psychotherapie oder EMDR als psychotherapeutische Methode in den Anwendungsbereichen der Psychotherapie gemäß Anlage 1, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten – gegebenenfalls Unterteilung in zwei Einheiten von jeweils mindestens 25 Minuten

43,72

85

Erstellung des verfahrensspezifischen Berichts an den Gutachter für die Beantragung einer Psychotherapie mit einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren unter Einbeziehung vorliegender Befunde und ggf. Abstimmung mit vor- und mitbehandelnden Ärzten und Psychotherapeuten, je angefangene Stunde Arbeitszeit

29,14

812

Psychotherapeutische Akutbehandlung – psychotherapeutische Behandlung zur Entlastung bei akuten psychischen Krisen- und Ausnahmezuständen mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden mit einem Behandlungsbeginn nach Indikationsstellung innerhalb von 2 Wochen, je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 861, 863, 870, 870 analog nicht berechnungsfähig.

Die Leistung ist bis zu 2-mal an einem Kalendertag und bis zu 24-mal im Jahr berechnungsfähig.

29,14

812

Psychotherapeutische Kurzzeittherapie – symptom- und/oder konfliktbezogene Behandlung mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden gemäß Anlage 1, je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 861, 863, 870, 870 analog nicht berechnungsfähig.

Die Leistung ist bis zu 2-mal an einem Kalendertag und bis zu 48-mal im Jahr berechnungsfähig.

29,14

812

Psychotherapeutische Sprechstunde – über die Durchführung der Psychotherapie mit dem Ziel der Abklärung des Vorliegens einer krankheitswertigen Störung, ggf. einschließlich

  • orientierende, diagnostische Abklärung der krankheitswertigen Störung,
  • differentialdiagnostische Abklärung der krankheitswertigen Störung,
  • Abklärung des individuellen Behandlungsbedarfes und Empfehlungen über die weitere Behandlung,
  • psychotherapeutische Intervention,
  • Hinweise zu weiteren Hilfemöglichkeiten,

je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 801 analog, 861, 863, 870, 870 analog nicht berechnungsfähig.

Die Leistung ist höchstens 6-mal im Jahr, bei Kindern und Jugendlichen sowie Patienten mit einer geistigen Behinderung höchstens 10-mal im Jahr berechnungsfähig.

29,14

812

Gruppenpsychotherapeutische Kurzzeittherapie – symptom-, konfliktbezogene und/oder störungsspezifische Gruppenbehandlung mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden gemäß Anlage 1 mit mindestens 2 bis 9 Teilnehmern, je vollendete 50 Minuten und Teilnehmer, daneben sind die Nrn. 862, 864, 871, 871 analog nicht berechnungsfähig. 

Die Leistung ist bis zu 2-mal an einem Kalendertag und bis zu 48-mal im Jahr berechnungsfähig.

29,14

Fazit

Inhaltlich fällt bei den Empfeh­lungen auf, dass sie aktuellen Anpassungen im EBM ähneln. Angesichts der Tat­sache, dass auch die Bei­hilfe­stellen und damit indirekt auch das Bundes­gesund­heit­sministerium diesen umfang­reichen und durchaus finan­ziell relevanten Rege­lungen zugestimmt haben, drängen sich des­halb Über­legungen zu den Hintergründen auf.

Bekannterweise wird dem Bedarf an psycho­thera­peu­tischen Leistungen auf poli­tischer Ebene eine hohe Rele­vanz eingeräumt. Weil die aktuelle – stark veraltete – GOÄ dem Leistungs­anspruch auf diesem Gebiet mehr noch als bei soma­tischen Erkran­kungen nicht gerecht wird, hat man sich offen­sicht­lich auf diese „Vorleistung“ geeinigt. Das könnte zugleich aber auch ein Signal dafür sein, dass die „große“ GOÄ-Novellie­rung noch (lange) auf sich warten lassen wird. Die Frage ist deshalb, ob die neuen Leistungen in der momen­tanen Situa­tion taktisch klug sind.

Wie es scheint, haben Bundes­ärzte­kammer und die Bundes­psycho­thera­peu­ten­kammer einem dies­bezüg­lichen Druck, psycho­therap­eu­tische Leistungen in der GOÄ schon vorab besser abzubilden, mit diesem Mittel­weg Rech­nung getragen. Ohne Gefah­ren ist das aber nicht. Diese vorge­zogene Novellierung psycho­thera­peu­tischer Leistungen in der GOÄ könnte dazu führen, dass dem Druck auf der poli­tischen Seite, die neue GOÄ bald einzu­führen, die Nach­haltig­keit genommen wird. Zugleich besteht die Gefahr, dass man dort eine hier prakti­zierte „EBM-Angleichung“ der GOÄ nicht wieder loswird.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.