G-BA-Beschluss: Verordnung von medizinischem Cannabis als GKV-Leistung wird erleichtert!
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. März 2023 Regelungen zur Verordnung von medizinischem Cannabis beschlossen, die keine zusätzlichen Anforderungen an die Verordnung in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten stellen, die über die bereits gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen.
Hintergrund
Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 10. März 2017 wurde § 31 Abs. 6 SGB V ergänzt. Seitdem haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität sowie auf Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Der Gesetzgeber hatte festgelegt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von 2017 bis 2022 eine Begleiterhebung zum Einsatz von Cannabis durchführt und der G-BA auf dieser Grundlage das Nähere zum zukünftigen Leistungsanspruch regelt. Die Ergebnisse dieser Begleiterhebung erhielt der G-BA im Sommer 2022. Aufgabe des G-BA war es nun, zwischen dem Bestreben, schwerkranken Menschen mit einer zusätzlichen Therapieoption zu helfen, und der notwendigen Arzneimitteltherapiesicherheit abzuwägen. Da die betroffenen Cannabisprodukte zum Teil gar nicht – bzw. nicht für den hier geregelten Einsatz – als Arzneimittel zugelassen und dementsprechend auch in keinem Zulassungsverfahren auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft wurden, hat der Gesetzgeber einen Genehmigungsvorbehalt etabliert, den der G-BA nun im Detail umgesetzt hat.
Beschluss
- Lediglich die Erstverordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form sind davon ausgenommen. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt wurde, gilt diese auch weiterhin.
- Eine Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
- Cannabisverordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
- Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabistherapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungspflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
- Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt, alle Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.
Der Vorsitzende hat den Beschluss dahingehend kommentiert, dass mit dem Verzicht auf erneute Genehmigungen von Folgeverordnungen und im Rahmen der SAPV, einer Verordnungsbefugnis für alle Ärzte, und dem auch im Gesetz angelegten verkürzten Prüfverfahren nach stationärer Behandlung und in der AAPV nicht nur der gesetzgeberische Wille umgesetzt wurde, sondern auch eine im Bedarfsfall zeitnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Patienten mit medizinischem Cannabis ermöglicht wird.
So funktioniert die Verordnung und Leistungsabrechnung!
Verordnungsfähig ist medizinisches Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten, sofern sie einen THC-Gehalt von mindestens 0,2 % besitzen. Auch (Rezeptur-)Arzneimittel mit synthetisch hergestellten THC-Derivaten (Wirkstoffe Dronabinol und Nabilon) können verordnet werden. Eine Verordnung ist bei Erkrankungen möglich, wenn sie lebensbedrohlich sind oder die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigt wird. Nach bisherigen Erfahrungen sind vor allem chronische Schmerzen, Krebserkrankungen, Spastik und Multiple Sklerose eine Indikation für deren Einsatz.
Bei einer Antragstellung für die Erstverordnung bei der Krankenkasse benötigen Patienten weiterhin eine Stellungnahme eines Arztes. Da medizinisches Cannabis bis auf die wenigen Fertigarzneimittel in der Regel keine arzneimittelrechtliche Zulassung für ein bestimmtes Anwendungsgebiet hat, muss vor einer Erstverordnung durch einen Arzt geprüft werden, ob die Verordnungsvoraussetzungen vorliegen. Eine Verordnung ist nur möglich, wenn andere Leistungen, die geeignet sind, den Krankheitsverlauf oder die schwerwiegenden Symptome positiv zu beeinflussen, nicht zur Verfügung stehen und wenn Aussicht auf einen positiven Effekt von Cannabisarzneimitteln besteht. In den ersten drei Monaten muss der Erfolg der Therapie außerdem engmaschiger als im weiteren Verlauf dokumentiert werden, da schwerwiegende Nebenwirkungen oder auch ein ausbleibender Behandlungserfolg nach bisherigen Erfahrungen vor allem in den ersten drei Monaten zu einem Therapieabbruch geführt haben.
Diese Antragstellung auf Versorgung mit Cannabis wird mit der Gebührenordnungsposition (GOP) 01626 EBM vergütet. Die Leistung kann bis zu viermal im Krankheitsfall erbracht und berechnet werden. Da nach einer Erstverordnung nur noch bei einem grundlegenden Therapiewechsel eine Genehmigung der Kassen erforderlich ist, während Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form nicht mehr antragspflichtig sind, wird diese Abrechnungsbestimmung nahezu gegenstandslos.
Die Vergütung der Leistung erfolgt weiterhin extrabudgetär und damit ohne Mengenbegrenzung. Im Gegensatz zu den GOP 01460 und 01461, die bereits mit dem Wegfall der fünfjährigen Begleiterhebung entfallen sind, ist die GOP 01626 dauerhaft im EBM verankert.
Der Beschluss wird in Kürze auf der Website des G-BA veröffentlicht. Er tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit ihn rechtlich nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.
EBM | Legende | Punkte/Euro |
---|---|---|
01626 | Ärztliche Stellungnahme für die Krankenkasse bei der Beantragung einer Genehmigung gemäß § 31 Abs. 6 SGB V zur Verordnung von
| 143 16,43 |
Die GOP 01626 ist höchstens viermal im Krankheitsfall und am Behandlungstag nicht neben den GOP des Abschnitts 1.2 des EBM berechnungsfähig. |
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.