Die Abdingung nach GOÄ – so macht man das richtig und rechtssicher

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

In der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wird im § 2 Abs. 1 bis 3 geregelt, unter welchen Umständen beim Honorar für eine Leistung von den Bestimmungen im § 5 abgewichen werden kann. Seit 1983 ist bei dieser sog. Abdingung ein Abweichen, z. B. auf eine andere Gebührenregelung, abgesehen von den Fällen, in denen durch Bundesgesetze etwas anderes bestimmt ist, ausgeschlossen. 

Ärztinnen und Ärzte sind seither bei der Abrechnung gegenüber Kostenträgern und/oder der Liquidation bei privat Versicherten an die GOÄ gebunden. Mit der seit dem 1. Januar 1996 gültigen Neufassung der GOÄ wurde klargestellt, dass die Ärztin bzw. der Arzt im Rahmen einer Abdingung weder die Punktzahl der einzelnen Leistung noch den Punktwert generell oder speziell für einzelne Leistungen verändern oder verändert vereinbaren darf. Möglich ist nur – ausgehend von dem einheitlichen, verbindlichen Einfachsatz – eine andere Honorarhöhe unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 5 und 5a. Bei Gebühren nach den Abschnitten A, E, M und O sowie für die Nr. 437 im Abschnitt C VII, bei nicht „höchstpersönlich“ erbrachten Leistungen (§ 2 Abs. 3 und § 5 Abs. 5) und bei Schwangerschaftsabbruch (§ 5a) ist eine Abdingung grundsätzlich ausgeschlossen. Auch in Notfällen und bei der akuten Schmerzbehandlung kann keine Abdingung erfolgen.

Wann ist eine Abdingung möglich?

Eine Abdingung wird erforderlich, wenn die innerhalb des Gebührenrahmens in § 5 festgelegten Gebühren überschritten werden sollen oder innerhalb des Gebührenrahmens eine Gebührenhöhe gewählt wird, die sich aus den Bemessungsfaktoren nach § 5 nicht ergeben würde.
Dabei müssen die folgenden juristischen Vorgaben berücksichtigt werden:

  • Es muss das Einvernehmen mit der Patientin bzw. dem Patienten vor Beginn der Behandlung hergestellt werden.
  • Eine durch die GOÄ (oder anderweitig) festgelegte Höchstgrenze für eine Abdingung gibt es nicht. Bestimmungen der gültigen Berufsordnung der zuständigen Landesärztekammer sind aber zu beachten. Hier spielt eine Rolle, dass nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der (Muster-)Berufsordnung des Deutschen Ärztetages eine Honorarforderung „angemessen“ sein muss und bei Abschluss einer Honorarvereinbarung auf Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen ist.

Bei einer Abdingung ist es möglich, eine Vereinbarung über sämtliche abdingbare Gebühren der Gebührenordnung, nur diejenigen in einzelnen Abschnitten oder für einzelne Leistungen zu treffen, wobei für einzelne Abschnitte oder Leistungen eine in der Höhe unterschiedliche Abdingung erfolgen kann. Der Patientin bzw. dem Patienten muss dabei exakt der jeweilige Faktor je Leistung oder Leistungsgruppe bekannt gegeben und die Gebührenordnung oder die in Frage kommenden Abschnitte derselben zur Einsicht vorgelegt werden, damit sie bzw. er sich die Höhe ihrer bzw. seiner Zahlung insgesamt und ggf. des Betrages, den die Versicherung nicht übernimmt, ausrechnen kann. Erforderlich ist auch ein Hinweis, dass ggf. ein Differenzbetrag weder von der Beihilfe noch von der Privatkrankenkasse ersetzt wird und deshalb von der Patientin bzw. dem Patienten selbst bezahlt werden muss. Pauschalen sind nicht zulässig, es sei denn, sie ergeben sich aus dem zugrunde gelegten Faktor.
Wichtig ist auch, dass die Patientin bzw. der Patient über die Bedeutung und die Auswirkungen der von der Verordnung abweichenden Gebührenhöhe hinreichend aufgeklärt und ihm genügend Zeit gelassen wird, darüber nachzudenken. Eine Honorarvereinbarung sollte deshalb nicht unmittelbar vor Leistungsbeginn getroffen werden.

Bei der Vereinbarung über einen höheren Faktor ist es – anders als bei der Honorarsteigerung im Rahmen des § 5 – nicht erforderlich, eine Begründung zu liefern (LG München, 31 S 22507/88 vom 28. Juni 1989). Es empfiehlt sich, dies aber trotzdem als eine Art Serviceleistung zu tun, damit die Patientin bzw. der Patient die Möglichkeit erhält, eine vollständige Kostenerstattung zu erhalten.

Ein aus diesen Auflagen resultierender rechtskonformer Behandlungsvertrag könnte damit so aussehen:

Nach § 5 Abs. 1, Satz 1 der GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem 1-Fachen bis 3,5-Fachen des Gebührensatzes bzw. bei den Leistungen der Kapitel A, E, O nach dem 1-Fachen bis 2,5-Fachen bzw. bei Leistungen des Kapitels M nach dem 1-Fachen bis 1,3-Fachen. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Erstattung durch Erstattungsstellen jenseits dieser Steigerungssätze nicht vorgesehen ist.

Die bzw. der Zahlungspflichtige bestätigt, eine Ausfertigung dieser Honorarvereinbarung erhalten zu haben.

Ein Fallbeispiel

Ein 35-jähriger Patient leidet seit vielen Jahren an einem Reizdarmsyndrom und möchte hierzu eine komplementärmedizinische Behandlung in Form einer Colonhydrotherapie. Er hat gehört, dass die Praxis diese bisher mit gutem Erfolg bei anderen Patientinnen und Patienten angewendet hat.

Der Patient wird über die Art der Behandlung aufgeklärt und ihm wird eine Honorarvereinbarung ausgehändigt, die er mit nach Hause nehmen und sich überlegen soll, ob er die zugrundeliegende Liquidation anerkennt.
Nach Vorlage des unterschriebenen Vertrages wird die Behandlung begonnen.

So könnte laut einem entsprechend abgefassten Behandlungsvertrag eine erste Sitzung in Rechnung gestellt werden:

Bei der analogen Bewertung der Colonhydrotherapie nach Nr. 533 handelt es sich um eine Empfehlung aus dem Analogverzeichnis der Bundesärztekammer (BÄK), die auch mit den PKV-Kostenträgern und den Beihilfestellen vereinbart wurde. Da es sich bei der Nr. A533 um eine Leistung aus dem Kapitel E der GOÄ handelt, ist eine Abdingung nicht möglich und nur ein Faktor bis 2,5 erlaubt. Der Mehraufwand wird deshalb über die Diagnostik und Beratung abgebildet. Bei weiteren Sitzungen könnte zunächst die Beratung nach Nr. 1 mit einem vereinbarten höheren Faktor neben der Nr. A533 in Rechnung gestellt werden, danach ggf. nur noch die Nr. 1, wenn der vereinbarte Faktor ein höheres Honorar als das der Nr. A533 ergibt.

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.