Der kurative Corona-Abstrich geht nicht mehr – was sind die Alternativen?
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
Zum 1. April 2022 liefen einige Corona-Sonderregelungen aus. Betroffen ist auch der kurative Abstrich bei Patienten mit Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach den GOP 02402/02403 EBM. Hintergrund ist ein Beschluss des Bewertungsausschusses (BA), wonach diese Leistung jetzt mit der Versicherten-, Grund-, Konsiliar- oder Notfallpauschale vergütet wird. Wütende Proteste der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und zweier Landesverbände des Deutschen Hausärzteverbandes blieben bisher erfolglos.
Die Krankenkassen sollen wieder einmal die „Bösewichte“ im BA gewesen sein und einer Verlängerung der bis Ende März 2022 geltenden Sonderpauschale von 8,22 Euro für diesen Abstrich nicht zugestimmt haben. Üblicherweise muss in einem solchen Fall der Erweiterte Bewertungsausschuss als „Schiedsamt“ angerufen werden. Einen solchen Antrag gibt es bisher aber nicht, weil KBV und Kassen sich angeblich noch in Gesprächen befinden.
Die KBV sieht den Wegfall der Vergütung für den kurativen Abstrich „kritisch, da ja die Inzidenzzahlen weiterhin hoch sind“, während der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) mit Auslaufen der meisten Corona-Sonderregelungen keinen Grund sieht, die zusätzliche Vergütung für die Abstrichentnahme zu verlängern. Diese sei – wie schon zuvor – ein Bestandteil der Grund- und Versichertenpauschalen und damit keineswegs gestrichen, sondern die Versorgung der Versicherten und die Honorierung der Ärztinnen und Ärzte weiterhin gewährleistet.
Streng genommen ist der Wegfall kein Verlust!
Es ist zweifelsohne gut, dass es aus der ärztlichen Selbstverwaltung und Teilen der Berufsverbände gegen eine solche ehrabschneidende Argumentation der Kassen Widerstände gibt. Die Frage ist nur, ob dies wirklich sinnvoll und notwendig ist oder man nicht einfach die vorhandenen Alternativen interpretieren sollte.
Zunächst müsste man sich mit der Leistungsbeschreibung der GOP 02402/02403 EBM auseinandersetzen. Es handelt sich um eine „Zusatzpauschale im Zusammenhang mit der Entnahme von Körpermaterial für Untersuchungen nach der Gebührenordnungsposition 32779 oder 32816 bei begründetem Verdacht auf Vorliegen einer beta-Coronavirus SARS-CoV-2 Infektion zum Ausschluss einer Erkrankung“. Obligater Leistungsinhalt ist in diesem Fall die „Abstrichentnahme(n) aus den oberen Atemwegen (Oropharynx-Abstrich und/oder Nasopharynx-Abstrich [-Spülung oder -Aspirat])“.
Die Abrechnung der Leistung ist aber nicht nur nach diesen GOP 02402/02403 EBM möglich, sondern auch im Rahmen der aktuell gültigen Coronavirus-Testverordnung (TestV) mit einem ähnlichen Honorar von 8 Euro für den Abstrich und 3,50 Euro für ggf. notwendige Sachkosten bei der Durchführung als Antigen-Schnelltest. Was also ist der Unterschied zwischen beiden Abstrich-Formen?
Diese Variante sollte man beachten!
Die Abrechnung des Abstrichs nach der aktuell gültigen TestV ist von dem Beschluss des BA nicht tangiert und deshalb weiter gültig. Man muss lediglich unterscheiden zwischen einem kurativen Anlass für den Abstrich nach GOP 02402/02403 EBM und den präventiven Anlässen, wie sie in der TestV in den §§ 2 bis 4 definiert sind. Ein kurativer Anlass zur Testung besteht, wenn die zu testende Person Symptome und einen Kontakt zu einem Infizierten aufweist. Von einem präventiven Anlass hingegen geht man aus, wenn die betreffende Person asymptomatisch ist, aber Kontakte zu Infizierten hatte, wie sie in den §§ 2 bis 4 der TestV genau beschrieben sind. Demnach unterscheidet den kurativen vom präventiven Testanlass nur das Symptom! Lediglich der sog. „Bürgertest“ erlaubt ebenfalls präventive Testungen, wenn weder Symptome noch Kontakte der Anlass gewesen sind.
Die zentrale Frage, die man sich trotz aller berechtigten Kritik an dem BA-Beschluss deshalb stellen sollte: Haben Personen, die einen oder mehrere Kontakte mit Infizierten als Testanlass wählen, Symptome (gehabt) und welche Symptome gelten als Verdachtssymptome auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus?
Fazit
In allen Fällen, in denen ein Abstrich zu einem negativen Ergebnis führt, kann man folgerichtig von einem präventiven Fall ausgehen und die (leider in den einzelnen KVen unterschiedlichen) Pseudoziffern zum Ansatz bringen. Die haben übrigens den Vorteil, dass sie tatsächlich mit den aktuell immer noch 8 Euro ein echtes extrabudgetäres Honorar darstellen, da das Geld nicht von den Kassen, sondern dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kommt.
Handelt es sich hingegen tatsächlich um einen kurativen Fall, weil der Test positiv ausgefallen ist, kann zumindest bis zum 30. Juni 2022 weiterhin die Pseudonummer 88240 berechnet werden, die dazu führt, dass alle Leistungen in diesem Quartal extrabudgetär vergütet werden. Bei dieser Vergütung fehlt dann zwar das Honorar für den Abstrich, das ist streng genommen aber nicht so problematisch, wie es nun dargestellt wird. Seit dem 1. Oktober 2020 werden alle Corona-Leistungen nämlich auf KV-Ebene mit einer Unterschreitung des vereinbarten Anstiegs des Behandlungsbedarfs durch den tatsächlichen Anstieg des Leistungsbedarfs verrechnet. Hierfür wird geprüft, ob und in welchem Umfang die abgerechnete Leistungsmenge (wegen der extrabudgetären Vergütungen bei SARS-CoV-2 Fällen) weniger stark gestiegen ist als die vereinbarte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV). In diesem Fall werden die mit der Pseudonummer 88240 (oder auch der GOP 02402/02403 EBM) gekennzeichneten Leistungen zwar zusätzlich von den Kassen vergütet, aber zugleich anteilig aus der MGV herausgenommen, sodass weniger Geld z. B. für die Regelleistungsvolumen (RLV) zur Verfügung steht.
Das einzig wahre extrabudgetäre Abstrich-Honorar ist deshalb nur das bei den präventiven Fällen – und die sind eben interpretationsfähig!
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.