Der „Corona-Impfbesuch“: Diese Besonderheiten sollte man bei der Abrechnung beachten!

      Abrechnung     Meine Praxis

Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Im Herbst soll es mit der zweiten Booster-Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 weitergehen. Nach der STIKO-Empfehlung ist eine solche Auffrischungs­impfung insbesondere bei älteren Menschen empfehlenswert. Neben den Impfungen in der Praxis sind deshalb auch Hausbesuche angesagt. Bei der Abrechnung stehen dort zwei Möglich­keiten zur Verfügung, von denen die „Bestwert-Regelung“ zum Tragen kommen darf.

Der Hausbesuch zum Zweck einer COVID-Impfung kann nach der aktuell gültigen „Coronavirus-Impfverordnung“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) nach den Nrn. 88323 (Besuch im Rahmen einer Impfung nach § 9 Abs. 1 S. 3) und 88324 (Besuch einer weiteren Person in derselben sozialen Gemeinschaft oder Einrichtung nach § 9 Abs. 1 S. 3) berechnet werden. Verfolgt der Hausbesuch nicht ausschließlich das Ziel einer solchen Impfung, sondern werden auch andere, kurative Maßnahmen erbracht, kommt alternativ auch die EBM-Abrechnung nach den GOP 01410 (Besuch eines Kranken, wegen der Erkrankung ausgeführt) und 01413 (Besuch eines weiteren Kranken in derselben sozialen Gemeinschaft, z. B. Familie, und/oder in beschützenden Wohnheimen bzw. Einrichtungen bzw. Pflege- oder Altenheimen mit Pflegepersonal) in Betracht. Grundsätzlich sind dabei die EBM-GOP schlechter bewertet und kommen deshalb in der Regel für die Abrechnung eines Impfbesuches nicht in Betracht. Es gibt aber Ausnahmen!

Ein Fallbeispiel:

Josef U. ist 78 Jahre alt und wurde kürzlich in einem Pflegeheim untergebracht. Da die STIKO ab dem 60. Lebensjahr und bei besonders gesundheitlich gefährdeten bzw. exponierten Personen­gruppen nach abgeschlossener COVID-19-Grund­immunisierung und erfolgter 1. Auffrischimpfung eine 2. Auffrischimpfung (Boosterung) mit einem mRNA-Impfstoff (Beschluss der STIKO zur 18. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung) empfiehlt, soll Josef U. eine weitere Boosterung gegen das SARS-CoV-2-Virus erhalten. Die Impfung wird per Hausbesuch vorgenommen, da der Patient wegen einer COPD und einer schweren Coxarthrose bds. nur noch begrenzt beweglich ist.
Würde ein solcher Hausbesuch ausschließlich zum Zweck einer COVID-Impfung stattfinden, könnten nur die – allerdings gegenüber der EBM-Abrechnung besser bewerteten – Nrn. 88323 und 88324 berechnet werden. Im Rahmen dieses Besuches finden wegen der genannten chronischen Erkrankungen aber auch Kontroll­untersuchungen statt. Besteht mit dem betreffenden Pflegeheim ein Versorgungs­vertrag gemäß Anlage 27 zum BMV-Ä kann deshalb das Ergebnis der EBM-Abrechnung besser sein. Kommt im Rahmen des Besuches nämlich ein kurativer Anlass hinzu, besteht ein Wahlrecht zwischen den Nummern der Corona-Impfverordnung und den entsprechenden Leistungen des EBM.

In der folgenden Abrechnungs­empfehlung sind beide Berechnungs­möglichkeiten berücksichtigt und gegenüber­gestellt:

NummerLegendeEuroEuroEBM
88323Besuch im Rahmen einer Impfung (§ 9 Abs. 1 S. 3)35,0023,8801410
 Kilometerpauschale (Beispiel KV Bayerns)04,42 
 Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 01410 oder 01413 für die Betreuung von Patienten 14,0837102
SUMME35,0042,38 
88331KImpfung mit mRNA (BioNTech) im Pflegeheim28,00 
88350Ausstellung eines Impfzertifikats6,00 

Wichtig:

Bei Anwendung der „COVID-Hausbesuchsziffer“ ist das finanzielle Ergebnis mit 35,00 Euro gegenüber 23,88 Euro zzgl. Kilometer­pauschale bei der EBM-Abrechnung deutlich besser.

Wurde mit dem Pflegeheim ein Versorgungs­vertrag abgeschlossen, ist hingegen die EBM-Abrechnung die „Bestwert“-Regelung. Die gezeigte Abrechnungs­version nach EBM ist mit 42,38 Euro gegenüber 35,00 Euro aber nur dann überlegen, wenn es sich um den ersten Kontakt im Quartal handelt, da die GOP 37102 EBM nur einmal im Behandlungsfall berechnungs­fähig ist. In diesem Fall kämen zusätzlich auch die alters­spezifische Versicherten­pauschale und der Chroniker­zuschlag I nach GOP 03220 EBM zum Ansatz. Würde es sich bei dem geschilderten Kontakt hingegen um eine spätere Inanspruch­nahme im Quartal handeln, käme der Ansatz der GOP 37102 EBM nicht zum Tragen und die Abrechnungs­nummer 88323 wäre wieder mit 35 Euro gegenüber der GOP 01410 EBM zzgl. Wegepauschale in Höhe von 28,30 Euro trotz des Versorgungs­vertrages die bessere Bewertung.

Beim Impf-Mitbesuch ist die EBM-Abrechnung fast immer im Vorteil!

Ähnlich, aber mit finanziell deutlicherem Unterschied, stellt sich die Sachlage dar, wenn in gleicher Sitzung in dem Pflegeheim weitere Personen geimpft und kurativ versorgt werden. Auch hier wäre zwar die Abrechnung nach Nr. 88324 mit 15 Euro gegenüber der Abrechnung nach GOP 01413 EBM mit 11,94 Euro überlegen. Im Falle eines Versorgungs­vertrages mit dem Pflegeheim ändert sich aber auch hier die Ausgangslage grundsätzlich, aber anders als beim Besuch nach GOP 01410 EBM:

NummerLegendeEuroEuroEBM
88324Besuch einer weiteren Person in derselben sozialen Gemeinschaft oder Einrichtung (§ 9 Abs. 1 S. 3)15,0011,9401413
 Kilometerpauschale (Beispiel KV Bayerns)00 
 Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 01410 oder 01413 für die Betreuung von Patienten 14,0837102
 Zuschlag zur Gebührenordnungsposition 01413 für den Besuch eines Patienten in einem Pflegeheim, mit dem ein Kooperationsvertrag nach § 119b SGB V besteht, der die Anforderungen der Anlage 27 zum BMV-Ä erfüllt 11,9437113
SUMME15,0035,82 
88331KImpfung mit mRNA (BioNTech) im Pflegeheim28,00 
88350Ausstellung eines Impfzertifikats6,00 

Wichtig:

Bei den Mitbesuchen ist beim Vorliegen eines Versorgungs­vertrages die Abrechnungs­folge nach EBM mit 35,82 Euro gegenüber 15 Euro nach der Corona-Impfverordnung noch deutlicher im Vorteil als beim Hauptbesuch. Es bleibt auch dabei, wenn die GOP 37102 EBM wegen eines späteren Besuches im Quartal nicht zum Ansatz kommen kann, weil die GOP 37113 EBM bei jedem Besuch nach GOP 01413 EBM berechnungs­fähig ist. Bei der EBM-Variante resultiert somit auch bei einem späteren Besuch im Quartal ein höheres Gesamt­honorar von 23,88 Euro gegenüber der Abrechnung nach Nr. 88324 mit 15 Euro.

Impfnachweise werden (wieder) wichtig!

Im neuen, ab 1. Oktober 2022 gültigen „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personen­gruppen vor COVID-19“ gibt es neue Auflagen für die Bevölkerung. Neben einer FFP2-Masken­pflicht in bestimmten Bereichen ist auch der Nachweis einer vollständigen Impfung ggf. als Ersatz für die Masken­pflicht vorgesehen. Das Gesetz definiert deshalb Personen als „vollständig geimpft“, wenn sie

  • 3 Impfungen erhalten haben, wobei die 3. Dosis mindestens 3 Monate nach der 2. Dosis erfolgt sein muss,
  • eine Infektion, bestätigt durch einen Antikörpertest, durchgemacht haben und danach zweimal geimpft wurden,
  • eine Impfung erhalten haben, danach eine Corona­infektion – belegt durch einen PCR-Test – hatten und danach eine 2. Impfung erhielten,
  • 2 Impfungen erhalten haben und danach eine Corona­infektion – belegt durch einen PCR-Test, der mindestens 28 Tage zurückliegt – hatten!

Wichtig:

Die Impfausweise werden in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung gewinnen und deshalb vermehrt dazu führen, dass der Wunsch nach einem ggf. sogar nachträglich ausgestellten Zertifikat an Praxen herangetragen wird.

Diesbezüglich stehen die folgenden Abrechnungs­positionen weiter zur Verfügung:

NummerLegendeEuro
88350Zertifikat für Patienten, die in eigener Praxis geimpft wurden6,00
88351Zertifikat für Patienten, die in eigener Praxis geimpft wurden – automatisiert mithilfe des PVS-Systems2,00
88352Ausstellung eines Impfzertifikats (Erstimpfung), wenn diese nicht in der Praxis erfolgte6,00
88353Ausstellung eines Impfzertifikats für die Zweitimpfung, wenn die nicht in der Praxis erfolgte, aber dort die Erstimpfung vorgenommen wurde6,00
88355Vergütung für das nachträgliche Ausstellen einer Impfdokumentation2,00
883700Ausstellung eines COVID-19-Genesenenzertifikats6,00
88371Ausstellung eines COVID-19-Genesenenzertifikats – automatisiert mit Hilfe des PVS-Systems2,00

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.