Impfungen, Präexpositionsprophylaxe und Arzneimittelbevorratung: Das ist neu bei COVID!
Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann
COVID-Impfungen sind künftig Bestandteil der Regelversorgung. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die vertragsärztlichen Praxen, zumal die Honorierung bisher noch nicht flächendeckend vereinbart werden konnte! Aber auch bei der Präexpositionsprophylaxe und der Therapie gegen das SARS-CoV-2-Virus gibt es Neuigkeiten – eine Übersicht!
Die meisten COVID-Impfstoffe kann man ab dem 2. Quartal 2023 weiterhin nur applizieren, wenn man mindestens sechs Impflinge hat. Neu ist, dass man die notwendigen Spritzen und Kanülen selbst bezahlen muss. Außerdem: Wer geimpft werden soll, regeln gleich zwei Vorgaben: Die Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und die COVID-19-Vorsorge-Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG):
- Die SI-RL nennt die folgenden Indikationen zur COVID-Auffrischungsimpfung:
- Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren und Personen ab dem Alter von 12 Jahren, jeweils mit Vorerkrankungen, die das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöhen
- Personen ab dem Alter von 60 Jahren
- Personen, die arbeitsbedingt besonders exponiert sind oder engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, und Personen in Schlüsselpositionen, z. B. Personal mit erhöhtem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen, mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen in medizinischen Einrichtungen, Pflegepersonal und andere Tätige in der ambulanten und stationären Altenpflege oder der Versorgung von Personen mit Demenz oder geistiger Behinderung, Tätige in Gemeinschaftsunterkünften, medizinisches Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), Lehrer und Erzieher, Beschäftigte im Einzelhandel, Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, Personen in Schlüsselpositionen der Landesregierungen und Bundesregierung sowie Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur
- § 1 der COVID-19-Vorsorge-Verordnung ergänzt den Anspruch auf Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 dahingehend, dass Versicherte im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe über den Anspruch aus der SI-RL hinaus bis zum 28. Februar 2024 Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 erhalten können, wenn die Verabreichung durch einen Arzt für medizinisch erforderlich gehalten wird.
- § 3 der COVID-19-Vorsorge-Verordnung regelt den weiterhin erforderlichen Dokumentationsaufwand (COVID-19-Impfsurveillance). Vertragsärzte müssen bis zum 29. Juni 2024 folgende Angaben zu Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 nach § 13 Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes über das elektronische Meldesystem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut übermitteln:
- Ihren Landkreis
- Das Datum der Schutzimpfung
- Die genaue Stellung der Schutzimpfung in der Impfserie und die impfstoffspezifische Dokumentationsnummer in einem Umfang, der einen Rückschluss auf die Bezeichnung des Impfstoffs gemäß Zulassung und eine Unterscheidung zu anderen, an andere Virus-Varianten und, sofern vorhanden, Virus-Untervarianten angepasste Impfstoffe erlaubt
- Die Einordnung der geimpften Person in die Altersgruppen 0 bis 4 Jahre, 5 bis 11 Jahre, 12 bis 17 Jahre, 18 bis 59 Jahre oder 60 Jahre und älter.
Auch die Präexpositionsprophylaxe ist Bestandteil der Verordnung!
Nach § 2 der COVID-19-Vorsorge-Verordnung haben Versicherte weiterhin Anspruch auf die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Präexpositionsprophylaxe gegen COVID-19, wenn
- bei ihnen aus medizinischen Gründen kein oder kein ausreichender Immunschutz gegen eine Erkrankung an COVID-19 durch eine Schutzimpfung erzielt werden kann oder
- bei ihnen Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 aufgrund einer Kontraindikation nicht durchgeführt werden können und sie einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf einer Erkrankung an COVID-19 ausgesetzt sind.
Medizinische Gründe können demnach insbesondere angeborene oder erworbene Immundefekte, Grunderkrankungen oder eine maßgebliche Beeinträchtigung der Immunantwort aufgrund einer immunsuppressiven Therapie sein. Eingesetzt werden dürfen Arzneimittel, die über eine Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde oder eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung der Verfahren der EU für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur verfügen.
Der Einsatz einer Expositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern (MAK) ist aktuell nur mit den Wirkstoffen Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) möglich. Die STIKO empfiehlt eine Dosierung von 300 mg/300 mg ab einem Alter von 12 Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 40 kg. Der Einsatz der MAK ist umstritten. Die EMA hat die Zulassung aufrechterhalten, in den USA wurde sie durch die FDA zurückgenommen, da die Applikation voraussichtlich keinen Schutz gegen die Entwicklung bestimmter SARS-CoV-2-Varianten bietet.
Paxlovid® kann weiter bevorratet werden!
Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ist am 8. April 2023 außer Kraft getreten. Insbesondere entfällt seit diesem Zeitpunkt die Regelung, dass Hausärzte für den Aufwand bei einer Bevorratung und Abgabe von Paxlovid® eine Vergütung von 15 Euro je abgegebener Packung erhalten.
Grundsätzlich bleibt für Hausärzte bis zum 31. Dezember 2023 die gesetzliche Grundlage bestehen, bis zu fünf Packungen Paxlovid® zu bevorraten und direkt an Patienten abzugeben, da diese Regelung in der „Allgemeinverfügung zum Bezug und zur Anwendung monoklonaler Antikörper und zum Bezug und zur Abgabe antiviraler, oral einzunehmender Arzneimittel gegen COVID-19“ verankert ist. Für Apotheken und den pharmazeutischen Großhandel wurde im neuen § 422 SGB V eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2023 für die Kostenübernahme der Distributionspauschale für Paxlovid® durch die gesetzlichen Krankenkassen geschaffen. Die Übergangsregelung sieht weiterhin eine Vergütung der Apotheken in Höhe von 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebener Packung vor, falls eine Abgabe an Ärzte zur Bevorratung erfolgt.
Das Präparat besteht aus den zwei Wirkstoffen Nirmatrelvir und Ritonavir in zwei verschiedenen Tabletten und sollte so früh wie möglich und innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn verabreicht werden. Die empfohlene Dosierung beträgt nach Herstellerangaben 300 mg Nirmatrelvir (zwei 150-mg-Tabletten) und 100 mg Ritonavir (eine 100-mg-Tablette) zur gleichzeitigen Einnahme alle zwölf Stunden über einen Zeitraum von fünf Tagen. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Durchfall, Erbrechen und Kopfschmerzen. Patienten mit stark eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion sollten das Präparat nicht erhalten und die Anwendung während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmittel anwenden, wird nicht empfohlen. Die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen im Alter unter 18 Jahren ist bisher nicht erwiesen und zur Anwendung in der Stillzeit sind keine Daten vorhanden.
Paxlovid® darf außerdem nicht mit bestimmten anderen Medikamenten verabreicht werden:
Klasse | Wirkstoff(e) |
---|---|
Analgetika | Pethidin, Piroxicam, Propoxyphen |
Antianginosa | Ranolazin |
Antihistaminika | Astemizol, Terfenadin |
Lipidsenker | Lovastatin, Simvastatin |
PDE-5-Inhibitoren | Avanafil, Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil (nicht mehr als 10 mg/72 Stunden) |
Pflanzliche Zubereitungen | Johanniskraut |
Bei gleichzeitiger Einnahme von Paxlovid® und den folgenden Arzneimitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen:
Arzneistoff(e) | Wechselwirkung/Hinweise |
---|---|
Fentanyl | Ritonavir inhibiert CYP3A4. Plasmakonzentration kann ansteigen. Überwachung auf Atemdepression empfohlen. |
Rivaroxaban | Die Inhibition von CYP3A und P-gp führt zu erhöhten Plasmaspiegeln, die zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen können. Anwendung von Paxlovid® und Rivaroxaban deshalb nicht empfohlen. |
Amlodipin, Diltiazem, Nifedipin | Anstieg der Plasmakonzentrationen der Calciumkanalblocker ist zu erwarten. |
Atorvastatin, Fluvastatin, Pravastatin, Rosuvastatin | Atorvastatin ist weniger auf den CYP3A-Metabolismus angewiesen, Rosuvastatin überhaupt nicht. Bei gemeinsamer Anwendung mit Ritonavir aber kleinstmögliche Dosis empfohlen. Pravastatin und Fluvastatin nicht abhängig von CYP3A und deshalb neben Paxlovid® möglich. |
Quelle: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/paxlovid
Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.