Affenpocken: So kann man sich in der Praxis darauf vorbereiten!

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Abrechnungstipps von Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Unmittelbare Gefahr, wie z. B. im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie, scheint bei den Affen­pocken nicht im Verzug zu sein. Der bisher schnelle und auch teilweise unklare Verbrei­tungsweg dürfte allerdings dazu führen, dass auch in den ambulanten Praxen Fälle oder Verdachts­fälle auftreten könnten. Darauf sollte man vorbereitet sein.

So wurde bei einem 39-jährigen Frankfurter Bürger kürzlich die Infekt­ion festgestellt, obgleich er in jüngster Zeit weder verreist noch auf größeren Veranstal­tungen gewesen ist. Er wurde deshalb in eine aktuell vorgeschriebene 3-wöchige häusliche Isolation geschickt. Die Erkran­kung ist nach der einhelligen Auffassung von Virologen nicht vergleich­bar mit COVID-19, weil sie wesentlich schwieriger übertrag­bar ist und die derzeit grassierende Variante bisher auch keine ernsthaften Krankheits­zustände erzeugt hat. Man geht deshalb nicht von einer neuen Pandemie aus. Die Aufmerk­samkeit in der mittlerweile sensibi­lisierten Bevölkerung kann aber durchaus dazu führen, dass dieses Thema Gegen­stand von Konsultationen, z. B. in der hausärzt­lichen Praxis, wird. Wie soll man sich dann als Arzt verhalten?

Hintergrund

Nagetiere (und weniger Affen) werden als Haupt­reservoir für die Erreger vermutet, vor allem Hörnchen, Ratten und Siebenschläfer. Die Affen­pocken gehören damit wie viele andere Infektions­krank­heiten zu den Zoonosen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als selten und ist auch nur bei sehr engem Kontakt möglich. Die Inku­bations­zeit beträgt im Mittel 10–14 Tage. Einige der aktuell in Deutsch­land dokumen­tierten Fälle sind allerdings untypisch, weil sie nicht in Zusammen­hang mit betroffenen Ländern, z. B. durch Reisen oder Kontakte zu exportierten Tieren, stehen. Eine Gefährdung für die Gesund­heit der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das Robert Koch-Institut (RKI) derzeit trotzdem (noch?) als gering ein.

Klinik

Patienten zeigen zunächst Symptome einer Virus­erkrankung wie Fieber (bis zu 40 Grad) und Schüttelfrost – wie dies allerdings auch bei einer SARS-CoV-2-Infektion der Fall sein kann. Möglich sind auch starke Kopf- und Glieder­schmerzen, Halsweh, Husten, Abgeschla­genheit und geschwollene Lymphknoten. Es folgen aber – wie z. B. bei den Wind­pocken – nach etwa 1–3 Tagen typische Hautverän­derungen wie Flecken, Knötchen, Bläschen und Pusteln, die – vergleichbar mit dem Verlauf bei Vari­zellen oder Zoster – verkrusten und schließlich abfallen. Betroffen sind vor allem Regionen wie das Gesicht, die Hand­innen­flächen und Fußsohlen, seltener Genitalien, Bindehaut und Hornhaut. Beim Befall der Augen droht allerdings – wie auch beim Herpes Zoster – in schweren Verlaufs­fällen Erblindung. Diffential­diagnostisch kommen Wind­pocken, Syphilis, Zoster, Scharlach, Herpes simplex oder auch andere Pockenvirus-Infektionen in Betracht.

In der Regel heilt die Erkrankung innerhalb von 2–4 Wochen aus. Gefährdet für schwerere Verläufe sind neben immun­geschwächten Patienten vor allem jüngere Menschen und Kinder. Bei Schwangeren kann eine Infektion zu einer Fehlgeburt führen. Affenpocken können auch tödlich verlaufen, wobei der Anteil weltweit mit 2–10 % beziffert wird.

Impfungen mit dem Lebend­impfstoff gegen die klassischen Pocken bieten vermutlich einen gewissen Schutz vor den Affen­pocken. Dies könnte erklären, warum Menschen unter 40 oft schwerer erkranken als ältere, da mit der Ausrottung der Pocken das weltweite Impf­programm eingestellt wurde und die Betroffenen diesen Impfschutz nicht mehr haben.

Was kann/sollte man in der Praxis tun?

Es handelt sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Infektions­schutz­gesetz (IfSG) um eine melde­pflichtige Erkrankung. Ein Virus­direkt­nachweis sollte deshalb unmittelbar über das „Hauslabor“ eingeleitet werden, das ggf. an ein Konsiliar­labor für Pocken­viren weiterleitet. Als Untersuchungs­material dient ein trockener Abstrich aus offenen Haut­läsionen, Vestikel­flüssigkeit oder Krusten­material.

Die Behandlung zielt meist auf das Lindern der Symptome oder das Verhindern bakterieller Sekundär­infektionen ab. Mit Tecovirimat wurde ein in den USA entwickeltes Medikament gegen Affen­pocken im Januar 2022 auch in der Europäischen Union zugelassen. In der EU ist außerdem seit 2013 ein Pocken­impfstoff verfügbar (Imvanex), der modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) beinhaltet und besser verträglich ist als ältere Pocken­impf­stoffe. Er kann ab 18 Jahren eingesetzt werden.

So würde man einen Verdachtsfall bei einem 39-jährigen Patienten zur Abrechnung bringen (ICD 10: B04):

EBMLegendePunkte; EuroBemerkungen

03003

Versichertenpauschale

114; 12,84

Altersabhängig

 

Abstrichentnahme

 

Die Leistung ist in der Versichertenpauschale enthalten.

32006

Erkrankungen oder Verdacht auf Erkrankungen, bei denen eine gesetzliche Meldepflicht besteht

03230

Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist

128; 14,42

 

Bitte beachten:

Das RKI empfiehlt bei der Abstrich­entnahme vergleichbare Schutz­maßnahmen wie bei SARS-CoV-2:

  • Verwendung eines Hände­desinfektions­mittels mit dem Wirkungs­bereich „begrenzt viruzid“
  • Persönliche Schutz­ausrüstung (PSA) wie Schutzkittel, Einweg­handschuhe, mindestens dicht anliegender Mund-Nasen-Schutz bzw. Atemschutzmaske sowie Schutz­brille und Haube, bei direkter Patienten­versorgung mindestens FFP2-Maske gemäß Arbeits­schutz­vorgaben

Dr. med. Gerd W. Zimmermann ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit vielen Jahren als Referent sowie Autor zum Thema Leistungsabrechnung nach EBM und GOÄ tätig.